Zu Weihnachten fasten?

100 Peseten: heute nur 0,60 Euro wert, um die 1960er Jahre gefühlt 40-50 DM.

Wir würden zum ersten Mal Weihnachten ohne meinen Vater feiern. Er war im August bei einem Arbeitsunfall tödlich verunglückt. Wir, das waren meine Mutter, mein 10-jähriger Bruder und ich (12). Es war finanziell sehr knapp, da mein Vater seine Lebensversicherung gekündigt hatte, um einen besseren Vertrag abzuschließen. Dazu kam es nicht mehr. In den ersten Monaten konnte uns unsere Mutter dadurch über Wasser halten, dass sie fleißig Jacken und Pullover für Privatkunden mit einer Strickmaschine fertigte. Manchmal halfen wir ihr ein wenig dabei.

Es war der 24. Dezember, meine Mutter wollte gern, dass wir ein schönes Fest erleben – mit dem dazugehörigen Weihnachtsessen. Um dieses vorzubereiten, schickte sie meinen Bruder zum Einkaufen und gab ihm dafür den letzten Geldschein, den wir hatten: 100 Peseten. Als er nach einer Weile zurückkam, trug er keine Einkaufstüte, sondern kam weinend an: Er hatte den Geldschein unterwegs verloren.

Das Absuchen des Weges verlief erfolglos. Es half alles nichts: Meine Mutter machte schnell eine Jacke fertig, wir brachten sie zur Kundin und hofften dabei, dass sie gleich würde bezahlen können. So war es auch, wir konnten noch einkaufen und hatten ein einigermaßen schönes Fest.

Wir hätten nicht zu Weihnachten fasten müssen, gewiss. Trotzdem waren wir drei dankbar, dass Gott uns so aus der Bredouille heraus geholfen hatte. Wir erlebten, auch in den folgenden Jahren, bis unsere Mutter als Gastarbeiterin nach Deutschland kam, und auch hier in der neuen, zunächst fremden Heimat:

Vater der Waisen, Beistand der Witwen – das ist Gott in seiner heiligen Wohnung! (Psalm 68,6 GNB)

Ich denke, es war ein Jahr später, da konnten wir sogar einen Bettler, der zu Weihnachten vor unserer Tür stand, einladen, mit uns zu essen und zu feiern. Beide Weihnachtsfeiern habe ich in besonderer Erinnerung behalten.