Tag 7: Wenn Gläubige sich streiten

Mittwoch, 5. Juni 2019. Heute hatten wir die einzige „Panne“ der Reise, die aber dank der Hartnäckigkeit von Silke repariert werden konnte: Weil der Türöffner des katholischen Friedhofs auf dem Berg Zion sich an diesem Tag frei nahm (und auch nicht ans Telefon ging), konnten wir nicht planmäßig das Grab von Oskar Schindler besuchen. (Am Donnerstag machte er uns gegen ein Trinkgeld das Friedhofstor recht früh am Morgen auf.)

Wir setzten also unser Tagesprogramm auf dem Berg Zion fort, um zuerst den Abendmahlssaal (das „Obergemach“, Apostelgeschichte 1,13) zu besuchen. „Schon im 4. Jahrhundert stand hier wohl eine byzantinische Kirche oder eine Synagoge, die die Muslime nach der Eroberung des Heiligen Landes im 7. Jahrhundert in eine Moschee umwandelten. Die Kreuzfahrer machten daraus wieder eine Kirche und erklärten den feudalen Raum im ersten Stock zum Platz, an dem Jesus sein letztes Abendmahl eingenommen haben soll – das Cenaculum. Gleichzeitig verorteten sie das Grab des legendären biblischen Königs David im Erdgeschoss und wandelten es so in ein Heiligtum der drei monotheistischen Religionen um … Heute ringen vier verschiedene Kirchen und Klöster, eine riesige Thoraschule, ein Holocaust-Museum und ein muslimischer Friedhof darum, die Narrative dieses Berges mitzubestimmen.“ Diese Worte aus der WELT online  dürften repräsentativ für vieles sein, was einem hier in Jerusalem bzw. überhaupt in Israel im Zusammenhang mit den „heiligen Stätten“ begegnet.

Von hier ging es weiter zur Dormitio-Basilika nebenan. In dieser Kirche, die von der deutschsprachigen Benediktinerabtei betreut wird, steht Maria im Mittelpunkt, und zwar wird hier des Entschlafens Maria und ihrer Himmelfahrt gedacht. (Später erklärte uns Elí einiges über die Marientraditionen im Vergleich zu dem, was in der Bibel tatsächlich steht bzw. nicht steht.) Es war hier ein Kommen und Gehen von Pilgern, besonders spanisch-sprechender, die Maria mit schönen Gesängen und hingebungsvollen Gebeten in der Krypta verehrten.

An einem ruhigen, schattigen Platz hielten wir unsere Andachtszeit, bei der es u. a. um Oskar Schindler ging. Dann brachte uns der Bus zum Blumentor auf der anderen Seite der Stadt, um unsere Erkundung der Altstadt fortzusetzen, und zwar beginnend mit dem Teich Bethesda, der heute nur als Ruine in ca. 15 Meter Tiefe zu sehen ist. Hier dachten wir über die Heilung des Gelähmten nach, der 38 Jahre lang auf Heilung wartete (Johannes 5,1-15). In der St. Anna Kirche nebenan konnten wir die wunderbare Akustik testen – mit unserem Singen und dem Zuhören anderer Pilgergruppen beim Singen.

Nur ein paar Meter entfernt beginnt die Via Dolorosa, d. h. die Straße, die zur Zeit des Todes Jesu vom Amtssitz des römischen Statthalters Pontius Pilatus zur Hinrichtungsstätte am Hügel Golgotha führte. „Von den 14 Stationen des Kreuzweges befinden sich aber nur acht auf der Via Dolorosa selbst. Die neunte befindet sich auf dem Dach der Grabeskirche, die letzten fünf darin. Da sich sowohl der Straßenverlauf als auch das Niveau der Stadt über die letzten 2000 Jahre stark verändert haben, muss dieser Weg mehr als Verbindung von Gedenkstätten als eine Wanderung in Jesu Fußstapfen gesehen werden.“ (Wikipedia) Vor der Mittagspause besuchten wir die 2. Station, nämlich die Geißelungs- und die Verurteilungskapelle im Innenhof des Franziskaner- bzw. Geißelungsklosters.

Die Mittagspause machten wir an der Kreuzung von Via Dolorosa und El Was Street, wo fünf bis sechs Soldaten wegen der vielen Feiertagsbesucher – wie in anderen Straßenkreuzungen auch – postiert waren. Hier steht das Österreichische Hospiz, in dem einige der Reisegruppe zu Mittag aßen. (Hospiz hat hier nichts mit der Begleitung Sterbender zu tun, sondern ist als Pilgerherberge zu verstehen.) Aus den Gästezimmern und der Dachterrasse hat man einen guten Ausblick über die Altstadt Jerusalem.

Wie immer sehr spannend war der Besuch der Westmauer (auch Klagemauer genannt): Da es um die Mittagszeit sehr heiß war, war der Gebetsplatz relativ leer. Dafür war der überdachte Bereich (der Männer) voll. Unter ihnen eine Kindergruppe, die mit heller Begeisterung die Worte rezitierte.

Es ging dann mit dem Besuch der Grabeskirche weiter. Hier streiten sich sechs Konfessionen um die Zuständigkeiten. (Aus diesem Grund musste eine muslimische Familie den Schlüssel für die Grabeskirche übernehmen!) Am Salbungsstein im Eingangsbereich der Grabeskirche kann man sehen, wie die Besucher die Steinplatte berühren, sie küssen und ihre Einkaufstüten mit Andenken und Mitbringseln darauf legen, damit sie besonders gesegnet sind. Am „Heiligen Grab“ wiederum standen, wie fast immer, hunderte Wartende. Uns führte Silke zu interessanten Stellen im Inneren der Grabeskirche, die sehenswert und nicht so überlaufen waren.

Die sich anschließende Zeit zur freien Verfügung nutzten einige für letzte Einkäufe, während andere sich in der nahen deutschen evangelischen Erlöserkirche ausruhten, dem Orgelspiel zuhörten oder den Turm bestiegen, von dem man einen schönen Rundblick über die Altstadt hat.

Die letzte Besichtigung des Tages, mit der wir das Programm in Jerusalem beendeten, galt dem Gartengrab unweit des Damaskustores. Obwohl die allermeisten Archäologen die Grabeskirche als Ort des Begräbnisses Jesu für gesichert halten, glauben viele anglikanische und freikirchliche Christen, dass es sich in diesem Garten um das Grab Jesu handelt. Einen stärkeren Kontrast zur Grabeskirche kann man sich kaum vorstellen! In dieser Oase der Ruhe sangen wir und dachten über die Begegnung des Auferstandenen mit Maria nach (Johannes 20,11-18). Wo auch immer Jesus begraben worden sein mag: das Grab ist leer, denn er ist auferstanden!


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