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Vom Kriminellen zum Heiligen

Das Damaskustor ist das größte Stadttor in der Altstadt von Jerusalem. (Foto: edp, 2013)

Das Gartengrab, unweit vom Damaskustor, halten vor allem evangelikale Christen für den Ort, wo Jesus nach seiner Kreuzigung beigesetzt wurde und drei Tage später auferstanden ist. (Foto: edp, 2013)

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Ich verlasse die Altstadt von Jerusalem durch das große Damaskustor. Von hier bis zum Gartengrab sind es nur 500 Meter zu Fuß. Viele Christen halten diesen Garten für den Ort, in dem Jesus nach seiner Kreuzigung auf dem Hügel Golgatha, gleich nebenan, ins Grab gelegt wurde.

Das Damaskustor verbinde ich mit Saulus von Tarsus bzw. Paulus. Hier begann die Straße, die Jerusalem mit Damaskus verband. Es ist daher gut denkbar, dass hier seine Verfolgungsreise nach den Christen in der 270 km entfernten Stadt begann (Apg 22). Über diese Zeit dunkle Seite seiner Biographie bekannte er später: Ich habe die Gemeinde unerbittlich verfolgt (vgl. Phil 3,6 NLB). Ein paar Zeilen später (Vers 13) schreibt er:

Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist.

Wie kann Paulus sagen „Ich vergesse, was dahinten ist“? Kann man eine kriminelle Vergangenheit einfach so vergessen? Von Oscar Wilde stammt der Spruch: „Jeder Heilige hat eine Vergangenheit und jeder Sünder eine Zukunft“.

Auf dem Hügel Golgatha hing neben Jesus ein zum Tode verurteilter Verbrecher am Kreuz. Spätestens als er Jesus beten hörte „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“, wurde diesem Mann klar: Wer so vergeben kann, muss in engster Verbindung mit dem Himmel stehen. Er vertraute sich Christus an und bekam augenblicklich das Versprechen, eines Tages in Gottes Reich aufgenommen zu werden (Lukasevangelium 23,39-43).

Paulus konnte seine Vergangenheit nicht einfach abhaken und vergessen, daher erzählte er immer wieder davon und von seiner Begegnung mit Jesus. Aber sie belastete ihn nicht mehr, weil Jesus ihm vergeben und seine Schuld ins tiefste Meer geworfen hatte. Sein neues Leben führte er nicht, um einen Ausgleich zu schaffen, sondern aus purer Dankbarkeit.

Der Verbrecher am Kreuz bekam eine herrliche Zukunft versprochen. Auch ohne Vorleistung. Er ist das beste biblische Beispiel dafür, was es bedeutet, allein aus Glauben, nicht aufgrund irgendwelcher Verdienste gerettet zu werden. Der spanische Theologe Roberto Badenas schreibt: „Dieser Bericht … ist für mich eine viel stärkere und überzeugendere Abhandlung über die Rechtfertigung durch den Glauben als alle anderen theologischen Studien, die ich zu diesem Thema gelesen habe.“ (Encuentros decisivos, S. 238)

Es gibt keinen Heiligen (im biblischen Sinne), der eine blütenweise Weste, eine untadelige Vergangenheit vorweisen kann. Und es gibt keinen Sünder (und das sind wir alle), dem Gott eine herrliche Zukunft verweigert, der sich danach von Herzen sehnt. Was für einen wunderbaren Gott haben wir!


 

From criminal to saint

I leave the Old City of Jerusalem through the large Damascus Gate. It is only a 500-metre walk from here to the Garden Tomb. Many Christians consider this garden to be the place where Jesus was laid in the tomb after his crucifixion on Golgotha hill, right nearby.

I associate the Damascus Gate with Saul of Tarsus or Paul. This was the beginning of the road that connected Jerusalem with Damascus. It is therefore quite conceivable that his journey of persecution for the Christians in the city 270 km away began here (Acts 22). He later confessed about this dark side of his biography: I relentlessly persecuted the church (cf. Phil 3:6 NLB). A few lines later (verse 13) he writes:

I forget what is behind and reach out to what is ahead.

How can Paul say “I forget what is behind”? Can one simply forget a criminal past? From Oscar Wilde comes the saying: “Every saint has a past and every sinner a future”.

On the hill of Golgotha, a criminal condemned to death hung on the cross next to Jesus. At the latest when he heard Jesus pray “Father, forgive them; for they know not what they do”, it became clear to this man: Whoever can forgive like this must be in closest contact with heaven. He entrusted himself to Christ and instantly received the promise of one day being accepted into God’s kingdom (Gospel of Luke 23:39-43).

Paul could not just tick off his past and forget it, so he kept telling people about it and about his encounter with Jesus. But it no longer burdened him because Jesus had forgiven him and cast his guilt into the deepest sea. He did not live his new life to make up for it, but out of pure gratitude.

The criminal on the cross was promised a glorious future. He is the best biblical example of what it means to be saved by faith alone, not on the basis of any merit. The Spanish theologian Roberto Badenas writes: “This account … is for me a much stronger and more convincing treatise on justification by faith than any other theological study I have read on the subject.” (Encuentros decisivos, p. 238)

There is no saint (in the biblical sense) who has a spotless record, a blameless past. And there is no sinner (and we all are) whom God denies a glorious future, who longs for it with all his heart. What a wonderful God we have!


 

De criminal a santo

Salgo del casco antiguo de Jerusalén por la gran Puerta de Damasco. Desde aquí sólo hay un paseo de 500 metros hasta la Tumba del Huerto. Muchos cristianos consideran que este jardín es el lugar donde Jesús fue depositado en la tumba tras su crucifixión en la colina del Gólgota, justo al lado.

Asocio la Puerta de Damasco con Saulo de Tarso o Pablo. Aquí comenzaba el camino que unía Jerusalén con Damasco. Por tanto, es bastante probable que su viaje de persecución de los cristianos en la ciudad situada a 270 km comenzara aquí (Hechos 22). Más tarde confesó este lado oscuro de su biografía: Perseguí implacablemente a la Iglesia (cf. Flp 3,6). Unas líneas más adelante (versículo 13) escribe

Olvido lo que queda atrás y me extiendo hacia lo que está delante.

¿Cómo puede decir Pablo “olvido lo que queda atrás”? ¿Se puede simplemente olvidar un pasado criminal? De Oscar Wilde procede el dicho: “Todo santo tiene un pasado y todo pecador un futuro”.

En la colina del Gólgota, un criminal condenado a muerte colgaba de la cruz junto a Jesús. A más tardar, cuando oyó a Jesús orar “Padre, perdónalos, porque no saben lo que hacen”, a este hombre le quedó claro: quien puede perdonar así debe estar en estrecho contacto con el cielo. Se encomendó a Cristo e instantáneamente recibió la promesa de ser aceptado un día en el reino de Dios (Evangelio de Lucas 23:39-43).

Pablo no podía limitarse a borrar su pasado y olvidarlo, así que siguió contándoselo a la gente y hablándole de su encuentro con Jesús. Pero ya no le pesaba porque Jesús le había perdonado y había arrojado su culpa al mar más profundo. No vivió su nueva vida para compensarlo, sino por pura gratitud.

Al criminal en la cruz Jesús le prometió un futuro glorioso. Él es el mejor ejemplo bíblico de lo que significa ser salvo sólo por la fe, no en base a ningún mérito. El teólogo español Roberto Badenas escribe: “Este relato… es para mí un tratado sobre la justificación por la fe mucho más impactante y convincente que todos los demás estudios teológicos que he leído sobre el tema”. El teólogo español Roberto Badenas escribe: “Este relato… es para mí un tratado sobre la justificación por la fe mucho más impactante y convincente que todos los estudios teológicos que he leído sobre el tema”. (Encuentros decisivos, p. 238)

No hay santo (en el sentido bíblico) que tenga un historial intachable, un pasado irreprochable. Y no hay pecador (y todos lo somos) a quien Dios niegue un futuro glorioso, si lo anhela de todo corazón. ¡Qué Dios tan maravilloso tenemos!

 

Engstirniger Prophet geht baden

(Foto: Jeff Jacobs, pixabay.com)

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[Only German / Sólo en alemán]

Die Bibel berichtet sehr ehrlich über die Schwächen der Menschen, die Gott in Führungspositionen berufen hat: König David zum Beispiel. Oder der Prophet Jona. Das ist für mich ein Hinweis auf die Echtheit der Heiligen Schrift. Rein menschliche Autoren hätten die Schattenseiten weggelassen und nur die Heldentaten berichtet.

Hier ein paar Gedanken, die mir beim Lesen des (kurzen) Buches Jona in den Sinn gekommen sind:

  • Zuerst macht er sich auf die Flucht vor Gott: Statt nach Ninive zu gehen (im heutigen Irak), um eine Gerichtsbotschaft im Auftrag Jahwes zu überbringen, geht er nach Jaffa und steigt in ein Schiff nach Tarsis (im heutigen Andalusien) ein. Das ist exakt die entgegengesetzte Richtung!
  • Das wäre eine Schiffsreise von etwa 5.000 Kilometern gewesen. „Gewesen“, weil Jona nicht sehr weit kam: Ein schwerer Sturm brachte das Schiff in große Seenot. Während die Seeleute ihr Bestes gaben, schlief Jona seelenruhig in seiner Kajüte. Da hat er starke Nerven gehabt!
  • Es war der heidnische Kapitän (!), der Jona auffordern musste, seinen Gott um Hilfe zu bitten, sowie die ebenfalls heidnischen Seeleute zu ihren Göttern beteten, als sie mit ihrem Latein am Ende waren: „Was liegst du hier herum und schläfst? Los, steh auf und ruf zu deinem Gott um Hilfe! Vielleicht erbarmt er sich und lässt uns nicht umkommen!“
  • Erst nachdem per Loswerfen der Schuldige gesucht wurde, gab Jona zu, dass er sich auf der Flucht vor seinem Gott befand. Was für eine Blamage für einen Propheten Jahwes!
  • Als Lösung schlug Jona vor, dass sie ihn ins Meer warfen, aber das brachten sie zunächst nicht fertig! Sie ruderten weiter, kamen aber nicht ans Land, weil der Sturm immer heftiger tobte. Erst dann warfen sie Jona über Bord und baten dann Gott um Vergebung für ihre verzweifelte Tat.
  • Jahwe, der den Sturm ausgelöst hatte, ließ seinen unwilligen Propheten nicht umkommen, denn er liebte ihn immer noch – und die Menschen in Ninive, die er warnen sollte, waren Ihm auch nicht gleichgültig. Er ließ einen großen Fisch Jona auffangen und unversehrt verschlingen.
  • Jetzt hatte Jona Zeit (drei ganze Nächte und die Zeit dazwischen), sich und sein Verhalten zu hinterfragen und mit Gott darüber zu sprechen. Schön, sein Gebet: „Das Wasser ging mir bis an die Kehle. Ich versank im abgrundtiefen Meer, Schlingpflanzen wanden sich mir um den Kopf.“ (2,6 GNB)
  • Nach dieser Besinnungszeit ließ Gott den Fisch ans Ufer schwimmen und Jona ausspucken. Da war er glücklich, wie es seinem Gebet zu entnehmen ist: „Du, HERR, mein Gott, hast mich heraufgezogen und mir das Leben neu geschenkt!“ (2,7 Hfa)
Der Prophet Jonas wird vom Fisch bei Ninive ausgespien, von Hortus Deliciarum (um 1180). Foto: Dnalor_01, Wikimedia Commons, Lizenz CC-BY-SA 3.0

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  • Nun war Jona bereit, der zweiten Aufforderung Gottes zu folgen und nach Ninive zu gehen. Ich hätte erwartet, dass er den Menschen dort von seiner Erfahrung berichtet, davon, wie Gott ihm seinen Ungehorsam verziehen und durch ein Wunder gerettet hatte. Das hätte, so denke ich, die Menschen in Ninive motiviert, mehr über diesen Gott erfahren zu wollen. Ich weiß nicht, wie lang seine Predigt war, nach dem biblischen Bericht war sie nicht nur sehr kurz, sondern überhaupt nicht empathisch, ja sogar lieblos: „Noch vierzig Tage, dann legt Gott Ninive in Schutt und Asche!“ (3,4 Hfa)
  • Erstaunlich finde ich das, was nach dieser unmotivierten Predigt geschah: „Da glaubten die Einwohner von Ninive an Gott.“ Noch mehr: „Sie beschlossen zu fasten, und alle, von den einflussreichsten bis zu den einfachen Leuten, zogen als Zeichen ihrer Reue Kleider aus grobem Stoff an.“ (3,4 Hfa) Da hielt der heidnische König eine „bessere“ Predigt als Jona, als er sich an die Bürger Ninives wandte: „Jeder muss von seinen falschen Wegen umkehren! Keiner darf dem anderen mehr Unrecht tun!“ (3,8 Hfa)
  • Es war nicht Jona, der einen möglichen Ausweg aus dem Gericht aufzeigte, sondern der König selbst! „Vielleicht lässt sich Gott ja noch umstimmen und hat Erbarmen mit uns; vielleicht wendet er seinen glühenden Zorn von uns ab, und wir kommen mit dem Leben davon.“ (3,9 Hfa) Obwohl Jona Vergebung erfahren und einen neuen Anfang gewährt bekommen hatte, gönnte er den Ninivitern Gleiches nicht, sondern hatte für sie nur ein alternativloses Gerichtsurteil.
  • Tatsächlich, Gott ließ sich „umstimmen“ (menschlich gesprochen; er kannte ja den Ausgang vom Anfang an): „Gott sah, dass die Menschen von ihren falschen Wegen umkehrten. Da taten sie ihm leid, und er ließ das angedrohte Unheil nicht über sie hereinbrechen.“ (3,10 Hfa) Denn er will nichts lieber, als dass die Menschen ihre Sackgassen erkennen und den Weg zu ihm, zum wahren Leben, zurückfinden.
  • Aus meiner Sicht kommt der Gipfel der Engstirnigkeit Jonas im 4. und letzten Kapitel des Buches vor: Statt sich über die Bekehrung der Bewohner Ninives zu freuen, wurde er zornig darüber, dass Gott sie nun verschonte. Und dieses freundliche Handeln Gottes warf er ihm nun gerade vor: „Ach Herr, genau das habe ich vermutet, als ich noch zu Hause war! Darum wollte ich ja auch nach Spanien fliehen. Ich wusste es doch: Du bist voll Liebe und Erbarmen, du hast Geduld, deine Güte kennt keine Grenzen.“ Wie kann man sich bloß darüber ärgern, dass Gottes Liebe und Geduld keine Grenzen kennt!! (Ich weiß, die Theologen haben für Jonas Haltung einige Erklärungen, aber ich begreife Jonas Verhalten dennoch nicht.)
  • Spätestens jetzt, als Jona lieber sterben will als weiterzuleben, und auf einem Hügel darauf wartet, dass Feuer vom Himmel fällt und Ninive zerstört, hätte ich ihn ins tiefste Meer zurückbeordert. Und was tut Gott? Er gibt ihm noch in aller Geduld eine Lektion in Empathie, und zwar nicht in Vortragsform sondern als eigenes Erlebnis: Er schenkt ihm über Nacht eine ausgewachsene Rizinusstaude als „Sonnenschirm“ gegen die Hitze, und lässt in der darauf folgenden Nacht einen Wurm die Wurzeln des Rizinus zerfressen. Jetzt wünscht sich Jona zum zweiten Mal zu sterben. Und nun endet das Buch mit einer Frage, die offen bleibt, aber Jonas sicher sehr nachdenklich stimmte: „Du hast dich mit dieser Staude keinen Augenblick abmühen müssen, nichts brauchtest du für sie zu tun. In einer Nacht ist sie gewachsen, und in der nächsten ging sie zugrunde. Trotzdem hättest du sie gerne verschont. Ich aber sollte Ninive nicht verschonen, diese große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen leben, die Gut und Böse nicht unterscheiden können, und dazu noch so viele Tiere?“ (3,10-11 Hfa)
Jona trauerte um die eingetrocknete Rizinusstaude – das Schicksal der Menschen in Ninive ließ ihn kalt!

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Fünf Schlussfolgerungen habe ich für mich aus dieser erstaunlichen Geschichte gezogen:

  1. Menschen, die Gott nicht persönlich kennen, können ethisch so vorbildlich handeln, dass Fromme sich davon „eine Scheibe abschneiden“ können. Ein befreundeter Pastor hat dieses Zitat dazu gepostet: „Es ist leichter, einen Heiden zu bekehren, als einen Frommen nach Ninive zu schicken.“ (unbekannt)
  2. Du kannst nie tiefer fallen, als in Gottes Hand – selbst wenn du dich auf der Flucht vor Gott befindest!
  3. Manchmal schickt uns Gott in die Dunkelheit, damit wir sehen können: uns selbst, unser Handeln und Gottes Pläne mit uns.
  4. Es kommt nicht darauf an, wie sprachgewandt wir sind, wenn wir Menschen von Gott erzählen, sondern darauf, dass Er durch seinen Geist die Herzen der Hörer erreicht. (Was natürlich nicht bedeutet, dass es gleichgültig ist, wie wir uns verhalten und wie wir reden.)
  5. Wenn wir vergessen, wie liebevoll und gnädig Gott mit uns umgegangen ist, werden wir hart und unbarmherzig unseren Mitmenschen gegenüber. Darum: „Vergiss nicht, was Er dir Gutes getan hat!“ (Psalm 103,2)

(Foto: Johannes Feldmann, hope.tv)

Um die erstaunliche Geschichte des ruhelosen Jona ging es in der  Gesprächsrunde für den 18.9.2021 in DIE BIBEL.DAS LEBEN auf HOPE.TV.

Auf Rache verzichten?

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English / Español

Eine der bewegendsten Familiengeschichten der Bibel ist die Geschichte Josefs und seiner Brüder. Aus purem Neid wollten diese ihn töten, verkauften ihn aber stattdessen als Sklaven nach Ägypten. Dem Vater erzählten sie, ein wildes Tier habe ihn getötet. Was sie nicht ahnen konnten: Als sie 20 Jahre später aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten zogen, um Getreide zu kaufen, standen sie plötzlich vor ihrem Bruder Josef, der zum zweiten Mann nach dem Pharao avanciert und für die Versorgung der Bevölkerung während der siebenjährigen Hungersnot verantwortlich war.

Was würde Josef nun mit seinen Brüdern tun? Sie strafen lassen? Sie und ihre Not ignorieren? Sie zappeln lassen, bis sie aufrichtig bereuten? Sich rächen für die Jahre fern von zu Hause als Sklave und sogar im Gefängnis? Die spannende Geschichte steht im 1. Buch Mose Kap. 42-45.

Bibelgesprächsrunde bei HOPE.TV (Foto: Johannes Feldmann, hope.tv)

Ein Gespräch darüber mit dem Titel „Vergeben und vertrauen“ ist in der Mediathek von HOPE-TV abrufbar. Ich hatte das Vorrecht, einer der vier Gesprächspartner zu sein – auch bei den darauf folgenden sechs Sendungen. Bei unserem Gespräch ging es nicht allein um die alte Geschichte, sondern auch darüber, was wir für den Umgang mit Menschen lernen können, die uns Leid zugefügt haben.

Einige Gedanken zum Thema Vergebung und Versöhnung:

„Kein Unrecht wird durch Vergebung wie durch ein Wunder in Recht verwandelt. Im Gegenteil: Ein erster Schritt in Richtung Vergebung besteht darin, das erlittene Unrecht anzuerkennen, ohne sich schuldig zu fühlen, und sich so aus der Opfer-Rolle zu befreien.“ (Studienheft zur Bibel, 3/2021, S. 53)
„Das Aussprechen der Worte „Ich vergebe dir“ ist hilfreich, aber kein Ersatz für die innere Auseinandersetzung.“ (Ebenda, S. 54)
„Vergebung ist ein bewusster Akt, eine Entscheidung. … Wenn ich vergebe, überlasse ich meinen Impuls zur Rache oder Vergeltung Gott und seinem heilsamen Wirken. So werde ich frei, auch die schmerzhafteste Vergangenheit so anzunehmen, wie sie war.“ (Ebenda, S. 55)

Pfarrer Uwe Holmer, der Weihnachten 1989 damit konfrontiert wurde, Honeckers in seine private Wohnung aufzunehmen, fand glaubwürdige Worte:
„Vergebung und Versöhnung ist die beste und einzige Weise Vergangenheit aufzuarbeiten. Ich möchte Mut dazu machen, dass dies viele tun. Ich vergifte mein Herz, wenn ich nicht vergebe.“ Uwe Holmer (Hervorhebung von Christian Knoll)
Uwe Holmer, dessen christliches Gewissen Honeckers eine barmherzige Unterkunft gewährte und der über seine kiloschweren ungeöffneten Stasiakten die Hände faltete und betete: „Gott vergebe jetzt jedem, der hier drin steht und etwas Böses gegen mich gehabt hat.“ Nach diesem Gebet ließ er den Aktenberg ungeöffnet! wieder wegschaffen. Vorbild! (Christian Knoll)

 


 

Renounce revenge?

One of the most moving family stories in the Bible is the story of Joseph and his brothers. Out of pure envy, they wanted to kill him, but instead sold him as a slave to Egypt. They told his father that a wild animal had killed him. What they could not have known: When they moved to Egypt 20 years later due to a famine to buy grain, they were suddenly faced with their brother Joseph, who had advanced to second in command to Pharaoh and was responsible for feeding the population during the seven-year famine.

What would Joseph now do with his brothers? Let them be punished? Ignore them and their plight? Let them flounder until they sincerely repented? Take revenge for the years away from home as a slave and even in prison? The exciting story is in Genesis ch. 42-45.

A talk about it entitled “Forgiveness and Trust” is available in HOPE-TV’s media library (in German). I had the privilege of being one of the four interlocutors – also in the following six broadcasts. Our conversation was not just about the old story, but also about what we can learn for dealing with people who have caused us suffering.

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¿Renunciar a la venganza?

Una de las historias familiares más conmovedoras de la Biblia es la de José y sus hermanos. Por pura envidia, querían matarlo, pero en su lugar lo vendieron como esclavo a Egipto. Le dijeron a su padre que un animal salvaje lo había matado. Lo que no podían saber: Cuando 20 años después, debido a una gran hambruna, fueron a Egipto a comprar trigo, se encontraron de repente con su hermano José, que se había convertido en el segundo hombre después del faraón y era el responsable de alimentar a la población durante los siete años de hambruna.

¿Qué haría ahora José con sus hermanos? ¿Ordenar que fueran castigados? ¿Ignorarlos en su necesidad? ¿Dejarlos coleteando hasta que se arrepintieran sinceramente? ¿Vengarse de los años fuera de casa como esclavo e incluso en la cárcel? La emocionante historia se encuentra en el capítulo 42-45 del Génesis.

En la mediateca de HOPE-TV hay una charla sobre el tema titulada “Perdonar y confiar” (en alemán). Tuve el privilegio de ser uno de los cuatro interlocutores, también para los seis programas posteriores. Nuestra conversación no sólo versó sobre la antigua historia, sino también sobre lo que podemos aprender para hacer frente a las personas que nos han hecho sufrir.

Bezahlt und nicht archiviert

Ich blicke auf zwei bemerkenswerte Erlebnisse im Straßenverkehr zurück. Im Ergebnis waren sie gleich, im Ablauf aber unterschiedlich. Das erste hatte ich vor ein paar Jahren unweit von Madrid. Ich fuhr auf der Autobahn ein Mietauto und merkte sehr spät, dass ich dabei war, die falsche Ausfahrt zu nehmen. Regelwidrig kam ich dann im letzten Augenblick auf die Hauptfahrbahn zurück. Ein paar Wochen später kam eine Rechnung vom Autovermieter für die Übermittlung meiner Daten an die Verkehrspolizei. Von dieser bekam ich aber keine Post. Nach einem Jahr wusste ich: Mein Vergehen würde keine Konsequenzen haben.

Das zweite Erlebnis liegt nur ein paar Wochen zurück. Um Post bei einem Freund in den Briefkasten einzuwerfen, missachtete ich das Halteverbot. Es würde nicht lange dauern! Als ich nach zwei Minuten zurückkam, hatte der Verkehrspolizist die Daten bereits in seinem Gerät erfasst. Ich erklärte kurz den Grund und fragte sehr freundlich, ob es eine Lösung gäbe, da es sich nur um ein paar Sekunden gehandelt hätte. Er überlegte eine Weile, dann druckte er einen Beleg aus und gab ihn mir. Oben stand: „Glück gehabt!“. Dann, nach einem kurzen Text: „Verwarnungsgeld: 0,00 EUR“

Die spanische Polizeiverwaltung schaffte es nicht, die Ordnungswidrigkeit zu bearbeiten. Der freundliche Polizist erließ mir das Bußgeld.

Gott ist weder vergesslich noch überfordert: Wenn er uns die Lebensschuld vergibt, dann tut er es freiwillig und gern! Wir müssen nicht um Gnade betteln, es genügt, wenn wir unser Versagen eingestehen. In der Bibel steht das Wort (Hebräerbrief 8,12 GNB):

Ich will ihnen ihren Ungehorsam vergeben und will nie mehr an ihre Sünden denken.

Noch eins: Wenn er unsere Sünden vergibt, dann archiviert er sie nicht, um sie uns bei passender Gelegenheit aufzutischen. Er will nie mehr daran denken – lesen wir im Hebräerbrief und auch in anderen Bibelstellen, wie Micha 7,19:

„Glück gehabt!“ kann man im Zusammenhang mit der Vergebung überhaupt nicht sagen: Es ist nicht so, als würde Gott einfach ein Auge zudrücken, wie ich es beim Halteverbot erlebte. Auch reichte nicht ein Knopfdruck aus, um den Stand unseres Schuldenkontos auf Null zu setzen: Er selbst bezahlte die Schuld, und zwar mit dem Tod seines Sohnes am Kreuz!

Meiner Sünden will Gott nie mehr gedenken. Den Preis dafür will ich nie im Leben vergessen.


Paid and not archived!
I look back on two striking experiences in road traffic. In the result they were the same, but in the process they were different. The first I had a few years ago not far from Madrid. I was driving a rental car on the highway and realized very late that I was about to take the wrong exit. Against the rules, I got back on the main lane at the last moment. A few weeks later I received an invoice from the car rental company for the transmission of my data to the traffic police. But I did not receive any mail from them. After a year, I knew that my failure would have no consequences.

The second experience was only a few weeks ago. In order to put mail in a friend’s mailbox, I disregarded the no-parking sign. It wouldn’t take long! When I returned two minutes later, the traffic cop had already recorded the data in his device. I briefly explained the reason and asked very nicely if there was a solution, since it had only been a few seconds. He thought for a while, then printed out a receipt and gave it to me. At the top it said, “Lucky you!”. Then, after a short text: “Warning charge: 0,00 EUR”.

The Spanish police administration did not manage to process the infraction. The friendly policeman waived the fine.

God is neither forgetful nor overburdened: When He forgives our life’s debt, He does it willingly and gladly! We do not have to beg for mercy, it is enough to admit our failure.

In the Bible the word is written (Hebrews 8:12): “I will forgive their disobedience and will never again remember their sins”.

One more thing: When He forgives our sins, He doesn’t archive them to serve them up to us when the opportunity arises. He never wants to think about them again – we read in the Letter to the Hebrews and also in other Bible passages, such as Micah 7:19:

“Lucky!” cannot be said at all in connection with forgiveness: it is not as if God would simply turn a blind eye, as I experienced with the no-stopping order. Nor was one push of a button enough to set the balance of our debt account to zero: He Himself paid the debt with the death of His Son on the cross!

God never wants to remember my sins. I never want to forget the price for it in my life.


¡Pagado y no archivado!
Recuerdo dos experiencias que hice conduciendo. Fueron iguales en el resultado, pero diferentes en la trayectoria. La primera la hice hace unos años no muy lejos de Madrid. Estaba conduciendo un coche de alquiler por la autopista y me di cuenta muy tarde de que estaba a punto de tomar la salida equivocada. En contra de las reglas, volví al carril principal en el último momento. Unas semanas después recibí una factura de la empresa de alquiler de coches por pasar mis datos a la policía de tráfico. Pero de ésta no recibí ningún correo. Después de un año estaba claro: mi infracción no tendría consecuencias.

La segunda experiencia la hice hace sólo unas semanas. Para depositar correo en el buzón de un amigo, hice caso omiso de la señal de prohibido aparcar. No tardaría mucho. Cuando volví dos minutos después, el policía de tráfico ya había registrado los datos en su aparato. Le expliqué brevemente el motivo y le pregunté muy amablemente si había una solución, ya que sólo habían pasado unos segundos. Se quedó pensando un rato, luego imprimió un recibo y me lo entregó. Arriba decía: “¡Ha tenido suerte!” A continuación, tras un breve texto: “Importe de la multa: 0,00 EUR”.

La policía española no consiguió tramitar la infracción. El amable policía renunció a poner la multa.

Dios no es olvidadizo ni tiene demasiado trabajo: Cuando Él perdona la deuda de nuestros pecados, lo hace voluntariamente y con gusto. No tenemos que mendigar clemencia, basta con admitir y confesar nuestros pecados.

La Biblia dice (Hebreos 8:12): “Perdonaré su desobediencia y no me acordaré nunca de sus pecados.”

Es más: cuando Él perdona nuestros pecados, no los archiva para servírnoslos cuando se presente la oportunidad. No quiere volver a pensar en ellos – leemos en Hebreos y también en otras escrituras, como Miqueas 7:19:

“¡Has tenido suerte!” no puede decirse en absoluto en el contexto del perdón: no es como si Dios se limitara a hacer la vista gorda, como lo hizo el policía. Tampoco bastó con pulsar un botón para poner a cero el saldo de nuestra cuenta moral: Él mismo pagó la deuda, y lo hizo con la muerte de su Hijo Jesucristo en la cruz.

Mis pecados Dios nunca los recordará. Yo quiero recordar toda mi vida el precio que Él pagó.

Woran der Schnee mich erinnert

[nx_spacer size=”10″]Wenn ich frischen, unberührten Schnee sehe, denke ich unwillkürlich an dieses Versprechen, das Gottes den Menschen gab, die ihre Fehler einsehen und bekennen: „Selbst wenn eure Sünden blutrot sind, sollt ihr doch weiß werden wie Schnee.“ (Jesaja 1,18)

Dieser Text des alttestamentlichen Propheten Jesaja war in der ersten Woche des Jahres der Leitvers beim weltweiten Bibelstudium des Buches Jesaja der Adventisten.

Der Schnee macht sich in unseren Breiten etwas rar (Ausnahme momentan in Spanien!), das Vergebungsangebot Gottes aber gilt jeden Tag neu, Winter wie Sommer; denn „bei ihm ist viel Vergebung“ (Jesaja 55,7).


What snow reminds me of
When I see fresh, untouched snow, I automatically think of this promise God made to those who recognize and confess their mistakes: “Even if your sins are blood red, you shall become snow white.” (Isaiah 1:18)

This promise given by Got through de prophet Isaiah was the keynote in the Adventist worldwide Bible study of the book Isaiah in the first week of this year.

The snow makes itself somewhat scarce in our latitudes, but God’s offer of forgiveness is new every day, winter and summer; because “He is always ready to forgive” (Isaiah 55:7).


[nx_spacer size=”10″]Lo que la nieve me recuerda
Cuando veo nieve fresca e intacta, me acuerdo de esta promesa que Dios hizo a quienes reconocen y confiesan sus errores: “Aunque vuestros pecados sean rojos como la sangre, pasaréis a ser tan blancos como la nieve.” (Isaías 1:18)

Isaías 1:18 fue el versículo principal que encabezó durante la primera semana de este año el estudio bíblico del profeta Isaías mundialmente en la iglesia Adventista.

La nieve es algo escasa en nuestras latitudes (con excepción de España en estos días), pero la oferta de perdón de Dios es nueva cada día, ya sea invierno o verano; porque “Él es generoso en perdonar” (Isaías 55:7).

Ziel verfehlt?

Getroffen? Macht nichts! Noch ein Versuch! (Foto: RitaE, pixabay)

Mit einem Gewehr zu schießen war nicht gerade meine Stärke als junger Mann. Eher zufällig erlegte ich nach vielen erfolglosen Versuchen einmal einen Bären – ich meine ein Kuscheltier auf dem Jahrmarkt. Es sah in der Schießbude so leicht aus. Die vorbeilaufenden Blechfiguren waren nicht einmal zwei Meter entfernt. Ob die Luftgewehre präpariert waren?

Eine Zielverfehlung beim Schießen auf dem Jahr­markt ist leicht zu verschmerzen – abgesehen von der Blamage, wenn man von der Freundin begleitet wird. Viel schlimmere Folgen könnte es haben, stünde man einem ausgewachsenen Bären in der Wildnis gegen­über. Aber die schlimmste Zielverfehlung, die es in diesem Leben gibt, ist das, was die Bibel Sünde nennt.

Wir neigen dazu, unter Sünde etwas Verkehrtes zu verstehen: eine Lüge, eine lieblose Handlung, eine Übertretung der Gebote Gottes. Zutreffender wäre es, diese Dinge als Sünden (also im Plural) zu bezeichnen; denn sie sind die Folgen einer falschen Einstellung  be­ziehungsweise einer gebrochenen Beziehung zu Gott. Diese ist die Ursünde und Mutter aller Sünden: Als das erste Menschenpaar sich im Paradies von seinem Schöpfer „emanzipierte“, löste diese Trennung von Gott die Lawine der Sünden aus, die darauf und bis heute folgten.

Die falsche Einstellung ist die Auflehnung gegen Gott, von der der Psalmdichter David sprach (Psalm 32,5 Neues Leben Bibel):

Endlich gestand ich dir meine Sünde und gab es auf, sie zu verbergen. Ich sagte: “Ich will dem Herrn meine Auflehnung bekennen.” Und du hast mir vergeben und meine Schuld weggenommen!

David ge­stand Gott gegenüber nicht nur seine Sünden, son­dern er bekannte dem Herrn auch seine Auflehnung. Die Sünden vergibt Gott uns gern, aber noch lieber möchte er, dass wir unsere Einstellung ihm gegenüber ändern. Indem er seinen Sohn Jesus Christus für uns sterben ließ, schlug er die Brücke über die Kluft der Sünde. Nun liegt es an uns, über diese Brücke zurück zum liebenden und vergebungsbereiten Vater zu ge­hen.

Auf dem Weg zurück ins Vaterhaus zu sein bedeu­tet nicht, dass wir nie wieder sündigen. Es zeigt aber: Wir haben die Auflehnung aufgegeben und sind unterwegs zum richtigen Ziel. Fallen wir in Sünde, so fal­len wir nicht in den Abgrund, sondern auf die Brücke, in die Hand Jesu, die uns wieder aufrichtet und trägt. Welch befreiende Erfahrung!