Tag 4: Vom Ölberg bis zum Adventhaus

Sonntag, 28. Mai 2017. Heute stand am Vormittag der Ölberg im Mittelpunkt unserer Besichtigungen. Geplant war, als erste die Paternoster-Kirche zu besuchen, in der das Vaterunser-Gebet in 60 Sprachen auf Keramiktafeln zu lesen ist. Aus unerklärlichen Gründen war sie jedoch an diesem Sonntag geschlossen, sodass unsere Tour an der Dominus-Flevit-Kapelle startete. Dominus-Flevit (lateinisch) bedeutet: Der Herr weinte. Gemeint ist der bewegende Bericht aus Matthäus 23,37, in dem Jesus um Jerusalem trauert – alle Versuche, den Menschen Zuflucht wie eine Henne ihren Küken zu bieten, waren fehlgeschlagen!

Das bekannte Fotomotiv, auf dem durch ein Kirchenfenster der Felsendom zu sehen ist, stammt aus dieser Kapelle. In einem schattigen Platz und mit einer wunderbaren Sicht auf die Stadt dachten wir über die Worte nach, die Jesus vorsorgend zu Petrus sagte: „Ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhört“ und die jedem von uns gelten: Jesus betet für uns, damit wir in der Stunde der Versuchung oder der Niederlage unseren Glauben nicht über Bord werfen!

Nächste Station war der Garten Gethsemane, wo Jesus die letzten Stunden vor seiner Festnahme im Gebet verbrachte. Wäre nicht der Lärm der vorbeifahrenden Autos, Busse und LKWs, wäre dies eine schöne, besinnliche Ecke mit den vielen Pflanzen, den jahrhundertealten Olivenbäumen und dem Vogelgezwitscher. Am bzw. neben dem Garten Gethsemane (= Garten der Ölmühle) steht die Kirche der Nationen, auch Todesangst-Basilika genannt: Sie wurde 1924 mit Geldern aus zwölf Ländern errichtet, daher der Name und die zwölf Kuppeln mit den Wappen.

An diesem Vormittag hatten wir die ganze Zeit das Goldene Tor vor Augen. Es ist eines der acht Tore Jerusalems, das einzige, das zum Tempelberg führt und auch das einzige, das geschlossen ist. Nach christlicher Überlieferung soll durch dieses Tor der Einzug Jesu in Jerusalem stattgefunden haben. Dass dieses Tor im 16. Jhdt. vom türkischen Herrscher Süleyman der Prächtige zugemauert wurde und es auch bis heute verschlossen geblieben ist, betrachten viele Christen als Erfüllung von Hesekiel 44,1-2: „Er führte mich wieder zu dem äußeren Tor des Heiligtums im Osten; es war aber zugeschlossen. Und der HERR sprach zu mir: Dies Tor soll zugeschlossen bleiben und nicht aufgetan werden, und niemand soll dort hineingehen. Denn der HERR, der Gott Israels, ist dort eingezogen; darum soll es zugeschlossen bleiben.“ 1967 hatte der König von Jordanien vor, das Tor zu öffnen, damit mehr Platz für das Gebet der Muslime geschaffen würde. Doch dann kam der Sechstage-Krieg, so dass das Tor bis heute verschlossen ist. Hinzu kommt, dass inzwischen ein islamischer Friedhof direkt davor errichtet wurde, womit der Durchgang kultisch „unrein“ wäre.

Nun war es an der Zeit, die Altstadt zu betreten, nachdem uns der Bus in die Nähe der Klagemauer brachte. Der Platz an und vor der Klagemauer war recht voll und es boten sich zahlreiche Foto- und Film-Motive – auch von singenden Kindern, Fahnen schwenkenden Jugendlichen und einem Shofar-Spieler. Das Beten an der Klagemauer fand in einer nicht zu übersehenden Feststimmung statt. Als wir den Platz Richtung Via Dolorosa verließen, sahen wir die Vorbereitungen für den Besuch von Netanjahu, der an diesem Tag genau dort mit seinem Kabinett tagte: Sein Dienstwagen stand nur 100 Meter von der Klagemauer entfernt, verdeckt bzw. sonnengeschützt unter einem Zelt; außerdem standen Soldaten an allen Gassen, die zur Klagemauer führten. Einer ließ sich sogar mit Elí fotografieren. (Die 20-Uhr-Tagesschau brachte an diesem Abend eine längere Meldung darüber; es fehlte nicht viel, und wir wären im deutschen Fernsehen zu sehen gewesen!)

Auf der Via Dolorosa blieben wir nur an zwei Stellen stehen, die letzten sahen wir in der Grabeskirche, die einige intensiver besichtigten, während andere ein Teil der Mittagszeit zum Essen in der Altstadt nutzten. Die Grabeskirche war, wie immer, sehr voll. Eine Gruppe nach der anderen strömte in die Kirche, wo die Grabstelle Jesu und der (angebliche) Stein der Salbung Christen aus der ganzen Welt wie ein Magnet anziehen. Mancher küsste und strich hingebungsvoll den Stein und legte danach Einkaufstüten mit Mitbringseln darauf, um sie mit Segen angereichert weiterzugeben. An der kleinen Kapelle des Heiligen Grabes wurde die Warteschlange nicht kleiner. Und an der griechisch-orthodoxen Kapelle auf Golgatha wurde das Defilieren der Gläubigen nur für die Weihrauchgänge der Priester unterbrochen, die immer wieder Rauchwolken hinterließen.

Vorletzter Programmpunkt an diesem Sonntag war der Besuch des Israel-Museums mit zwei Schwerpunkten: Der „Schrein des Buches“, bekannt durch die einem Krugdeckel nachempfundene weiße Dachkuppel, ist der meistbesuchte Teil des Museums. Dort wird eine Kopie der Jesaja-Rolle von Qumran gezeigt. Der andere Schwerpunkt unserer Besichtigung war ein recht großes Modell (2.000 qm) der Altstadt Jerusalem zur Zeit des 2. Tempels, zu dem Karin uns einiges zu sagen hatte.

Mit einer besonderen Begegnung schlossen wir diesen Tag ab: Im Adventhaus wartete am Abend der Präsident (Vorsteher) der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Israel, Pastor Roger Robertsen (aus Norwegen), der uns in einer Präsentation Informatives und Bewegendes von der Arbeit der Kirche in Israel erzählte. Gott wirkt heute noch Wunder in diesem Land!

 

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