Aus dem Nil gerettet

Der Nil bei Maadi, Kairo. (Fotos: edp)

[nx_spacer size=”5″]Ist die Rede von einer Rettung aus dem Nil, denken Bibelleser unwillkürlich an die alttestamentliche Geschichte von der Entdeckung des Babys Mose durch die Pharaos Tochter, die es sozusagen adoptierte (nachzulesen in Exodus/2. Mose Kapitel 2).

Nicht in der Bibel enthalten ist eine andere Geschichte, die sich nach der koptisch-orthodoxen Überlieferung [1] ebenfalls am Nil zugetragen haben soll, und zwar bei Maadi (Kairo; Foto oben). Dabei ging es nicht um ein ausgesetztes Baby in einem Korb, sondern um eine schwimmende Bibel.

Ich kannte die Geschichte nicht, erfuhr erstmalig davon zu Beginn einer Gruppenreise im November 2019 auf den Spuren der Heiligen Familie in Ägypten. Als wir die Marienkirche am Ufer des Nils im Kairoer Stadtteil Maadi besuchten, erzählte uns Mohammed, der Reiseleiter, davon: Einem Diakon fiel am 12. März 1976 ein Gegenstand auf, der auf dem Nil schwamm. Kurzentschlossen sprang er ins Wasser und rettete ein Buch, das sich als eine Bibel herausstellte. Diese schwamm sogar aufgeschlagen, und zwar an der Stelle, wo man – trotz der Beschädigung durchs Wasser – die Worte aus Jesaja 19,25 lesen konnte: „Der HERR Zebaoth wird sie segnen und sprechen: Gesegnet bist du, Ägypten, mein Volk, und du, Assur, meiner Hände Werk, und du, Israel, mein Erbe!“

Die koptische Gemeinde deutete dieses Wunder als eine Bestätigung des Segens Gottes und auch dafür, dass dies die Stelle sei, an der die Heilige Familie (also Maria mit Josef und dem Kind Jesus) ein Boot bestieg, um nach Oberägypten vor der Verfolgung durch Herodes‘ Soldaten zu fliehen. [2]

Das soll übrigens auch die Stelle sein, an der die Tochter des Pharao den Binsenkorb mit dem Baby Moses fand. Zur Zeit Jesu habe hier eine jüdische Synagoge gestanden, in dessen „Keller“ die Heilige Familie einige Tage versteckt verbracht haben soll. Wir durften diesen Raum durch die angeblich originale Treppe betreten, auf deren Stufen Maria, Josef, das Jesuskind und die mitreisende Hebamme Salome zum Flussufer hinabgestiegen sein sollen. (Siehe Hesemann S. 11.)

Heute ist aus diesem Stadtteil mit dem damaligen Anlegeplatz für Pilger und Kaufleute ein Villen- und Diplomatenvorort von Kairo entstanden. Und an der Stelle, wo einst die Synagogen stand, stehen nun ein Kloster und die Marienkirche.

Wir kamen an, als der Morgengottesdienst gerade zu Ende ging. An der Tür überreichte eine Frau jedem von uns (und auch den Gottesdienstteilnehmern) ein kleines Brot. Ihre Worte verstanden wir nicht. Der Guide erklärte uns, dies sei ein Brauch unter koptischen Christen, durch den sie ihren Dank an Gott für ein besonderes Erlebnis zum Ausdruck bringen.

In der Reliquienkammer der Kirche konnten wir die „schwimmende Bibel“ in einer Glasvitrine besichtigen, während drei Frauen in dem Raum ihre Gebete sprachen.

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[1] Die christlichen Kirchen Ägyptens sind eine der ältesten christlichen Kirchen der Welt. Die koptisch-orthodoxe Kirche ist die altorientalische Kirche Ägyptens mit – je nach Quelle – fünf bis zwölf Millionen Gläubigen in Ägypten. Sie soll im 1. Jhdt. n. Chr. vom Evangelisten und Märtyrer Markus gegründet worden sein. Weitere Informationen.  („Kopten“ ist übrigens die arabische Bezeichnung für Ägypter.)

[2] Über diese Geschichte und weitere Wunder der koptisch-orthodoxen Tradition berichtet Michael Hesemann in seinem kurzweiligen Buch „Jesus in Ägypten: Das Geheimnis der Kopten“ (2012 im Herbig Verlag erschienen. Hier bei Amazon näher beschrieben und mit Leseprobe.

 

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