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Unscharf

Am 10. Juni 1907 veröffentlichten die Brüder Lumière die ersten Farbfotos. Die Platten für die Farbfotografie arbeiteten mit eingefärbten Stärkekörnchen aus Kartoffeln und einer Bromsilber-Gelatine-Emulsion. Was heute, 111 Jahre später, die Digitalfotografie leistet, hätten sich die Brüder Lumière nie erträumen können.

Ein Stück Geschichte für Nostalgiker. (Foto: Bru-nO, pixabay)

Eine Zwischenstation in der Welt der Fotografie sind die Sofortbildkameras gewesen. Irgendwann legten wir uns als Familie ein Gästebuch an, in das wir ein Sofortbild der Besucher einklebten. Jedes Mal haben wir unseren Gästen tröstend versichert, dass sie in Natur viel besser aussehen als auf dem Bild: Die Qualität dieser Sofortbilder war nämlich nicht besonders gut, da weder die Farben noch die Schärfe stimmten. Sie waren auch nicht als Ausstellungsstücke gedacht.

An diese unscharfen Sofortbilder von damals muss ich denken, wenn ich bei Paulus von „undeutlichen Bildern“ lese (1. Korinther 13,12 (Hoffnung für alle):

Jetzt sehen wir nur ein undeutliches Bild wie in einem trüben Spiegel. Einmal aber werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt.

Unsere Erkenntnisleistung als Menschen vergleicht Paulus mit einem „undeutlichen Bild“ auf „einem trüben Spiegel“. Unsere heutigen Spiegel zeigen uns erbarmungslos den kleinsten Pickel und jedes Fältchen im Gesicht. Die römischen und jüdischen Frauen haben auf einem damaligen Spiegel (einer blanken Metallscheibe) im besten Falle die Konturen ihres Gesichtes oder ihrer Frisur erkennen können.

Damit sich kein Christ einbildet, er hätte die Wahrheit „im Griff“, vergleicht Paulus die Qualität unserer Erkenntnis mit dem undeutlichen Bild auf dem trüben Spiegel. Obwohl wir verschiedene „Spiegel“ benutzen, um Gott zu erkennen – sein Wort, die Bibel, teilweise die Natur, unsere Erfahrungen mit ihm –, bleibt unser Erkennen diesseits der Ewigkeit ziemlich bruchstückhaft. Es ist wie ein Puzzle, bei dem viele Lücken erkennbar sind und die vorliegenden Puzzleteile nicht am richtigen Platz stecken.

Die Worte des Paulus bezwecken zweierlei: Zum einen zeigen sie uns, dass Bescheidenheit angebracht ist. Gerade bei erfahrenen Christen, die sich in der Bibel gut auskennen. Auch im Umgang mit Gläubigen anderer Religionen sollten sie als Hörende und Lernende auftreten und nicht als belehrende Besserwisser. Zum anderen will Paulus unsere Sehnsucht vertiefen, eines Tages Gott zu sehen, wie er wirklich ist.

Als Jesus Christus auf Erden lebte, bekamen die Menschen ein ziemlich scharfes Bild davon, wie Gott ist: die Liebe in Person. Durch seine Predigten und sein damit übereinstimmendes Handeln gelang es Jesus, das schiefe Gottesbild zu korrigieren, unter dem viele damals litten. Wenn Jesus Christus wiederkommt, dann werden wir ihn sehen, wie er wirklich ist (steht auch im 1. Johannesbrief 3,2). Weil der „Schleier“ der Sünde unsere Sicht nicht mehr trübt, werden wir klar und deutlich sehen, aber nicht einmal die Ewigkeit wird ausreichen, die Dimensionen des Wesens und der Liebe Gottes gänzlich auszuloten.