Es war ein beeindruckender Augenblick für mich und viele der Mitreisenden, als wir Ende Mai 2017 in Bethlehem die Katharinenkirche (neben der Geburtskirche) besuchten. Ich bewunderte das Glasfenster mit der Heiligen Familie und der Anbetung der Weisen, als der Bethlehem-Guide ohne jegliche Ankündigung eine Flöte aus der Tasche holte und anfing, ein Weihnachtslied zu spielen, in das wir alle dann einstimmten.
Gläserne Kirchenfenster beeindrucken mich jedes Mal bei der Besichtigung einer Kirche. Wenn die Sonne durch die bunten Scheiben scheint, werden die Bilder lebendig und der Kirchenraum leuchtet in schönsten Farben. Sehr häufig sind es ja biblische Szenen. Oder von der Kirche als „Heilige“ deklarierte Personen.
Apropos „Heilige“: Was für Menschen sind denn das? Vereinfacht gesagt könnte man sie als Vorbilder des Glaubens beschreiben. Allerdings wurde dieser Begriff sehr vom römisch-katholischen Verständnis geprägt (Selig- und Heiligsprechung). Heilige seien vollkommene Menschen, aus deren „Überschuss“ an guten Werken jeder Gläubige profitieren könne.
Nein, nach römisch-katholischen Verständnis bin ich kein Heiliger, denn ich habe kein Wunder bewirkt und auch keinen Überschuss an guten Werken gesammelt, um als Fürsprecher für andere bei Gott eintreten zu können. Aber nach dem, was die Bibel dazu sagt, bin ich sehr wohl heilig! Denn nach den Aussagen im Neuen Testament (den zweiten Teil der Bibel) sind alle, die Jesus Christus ihr Leben anvertrauen, sich taufen lassen und seiner Gemeinde angehören, Heilige. So werden sie auch von den Aposteln in den Briefen bezeichnet. „Heilig“ bedeutet in der Bibel „gottgehörig“. Sündlos ist nur Jesus Christus. Diese Art der Vollkommenheit ist nicht die Voraussetzung dafür, Gott zu gehören, also „heilig“ zu sein.
„Heilig“ bezeichnet zunächst nicht die Qualität eines Menschen, sondern seine Zugehörigkeit: Wer Gott gehört, ist ein Heiliger. Weil die Zugehörigkeit zu Gott und die Gemeinschaft mit ihm uns verändern, bleiben wir natürlich nicht ewig so, wie wir sind – wir werden verändert, „geheiligt“. Aber diese Veränderung ist die Folge und nicht die Voraussetzung, von Gott als seine Kinder angenommen und in seine Familie aufgenommen zu werden.
Wenn ich an die bunten Glasfenster denke, die dank den Sonnenstrahlen mit leuchtenden Farben die dunklen Räume erhellen, kommt mir eine ganz einfache Definition für „Heilige“ in den Sinn: Heilige sind Menschen, durch die das Licht Gottes scheint. Es ist nicht die eigene „Akkuleistung“, die sie zum Leuchten bringt, sondern die Reinheit, Liebe und Freundlichkeit Gottes, die sie aufnehmen und weitergeben.
Damit gehen die Worte des Propheten Jesaja in Erfüllung (60,1 NLB):
Steh auf und leuchte! Denn dein Licht ist gekommen und die Herrlichkeit des Herrn erstrahlt über dir. Denn die Erde ist von Finsternis zugedeckt und die Völker liegen in tiefer Dunkelheit, aber über dir strahlt der Herr auf. Man kann seine Herrlichkeit über dir schon erkennen.