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Antisemitismus – Buchbesprechung

Michael Wolffsohns neues Buch.

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Alter und neuer Antisemitismus

Vor wenigen Tagen ist ein kleines Buch (96 Seiten) des bekannten Historikers und Publizisten Michael Wolffsohn erschienen mit dem Titel „Nie wieder? Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus“. Als Reaktion auf den terroristischen Anschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 herausgegeben, bezeichnet der Verlag (Herder, Freiburg) es als „eine scharfe Abrechnung“ und „leidenschaftlichen Aufruf, nicht billige Empörung zu inszenieren, sondern politische und gesellschaftliche Konsequenzen aus dem alten und neuen Antisemitismus zu ziehen“ (Einbandrückseite).

Im ersten Teil des Buches (S. 7-26) bezeichnet der Autor den Antisemitismus als „die Eintrittskarte in die europäische Gesellschaft“, ja es gehöre zum guten Ton in weiten Kreisen (S. 11 und S. 20). „Schon wieder“ sei insofern richtig und falsch, dass es sich heute nicht nur um deutsche Rechtsextremisten (wie zu Führers Zeiten) handle, sondern mehrheitlich um muslimische Neudeutsche, legitimiert durch alt-einheimisch deutsche Linksextremisten (S. 9). Das barbarische Geschehen am 7. Oktober 2023 lasse die Theodizee-Frage wieder aufleben: „Wie kann ein und derselbe Gott, der DEN Menschen schuf und eben nicht nur Juden oder Muslime, zulassen, dass die einen die anderen ermorden?“ (S. 19)

Die Frage, ob die Juden in Deutschland eine Zukunft hätten, beantwortet er negativ. Das gelte aber auch für die anderen Staaten der Diaspora. Daher sagt er über kurz oder lang einen zweiten Exodus nach Israel vorher – vorausgesetzt, es werde langfristig noch Israel geben, denn „jüdisches Leben ist, wie seit 3000 Jahren, ,Existenz auf Widerruf‘“ (S. 24f.). „Israel ist für die Juden, für alle Juden, erstmals seit rund 2000 Jahren eine Lebensversicherung, die Lebensversicherung.“ (S. 39)

Der zweite Teil des Buches (S. 27-67) enthält zwei Fassungen der Rede vor dem Berliner Abgeordnetenhaus zum 85. Jahrestag des 9. Novembers 1938. Die eine verfasst vor dem 7. Oktober 2023 und die andere danach. In beiden verarbeitet er persönliche-familiäre Erlebnisse. Eine Lehre aus der Shoah habe seine Familie gezogen: „Es reicht nicht, dass Christen Juden tolerieren. Es reicht nicht, Minderheiten zu tolerieren, wir müssen sie akzeptieren. Wir müssen und wollen Muslime inkludieren. Es müssten Christen und Juden auch einheimische Muslime integrieren.“ (S. 32) Zum Thema Vergangenheitsbewältigung schreibt er u.a.: „Das Recht sagt: Alles verjährt. Was sagt die Gerechtigkeit? Recht und Gerechtigkeit, beides hohe Güter. Ein noch höheres Gut ist Versöhnung – und durch Versöhnung innerer Frieden. Kollektiv und individuell.“ (S. 35)

Im Umgang mit Begriffen wie „Nazi“ mahnt er zur Differenzierung: Nicht jeder Andersdenkende sei automatisch ein Nazi. „Wer, wie im politischen Volkssport Deutschlands, leichtfertig jedem bei jeder unpassenden Gelegenheit den Nazi an den Kopf wirft, weiß nichts über oder verniedlicht den wahren Nazismus und macht ihn auf diese Weise zwar nicht gleich salonfähig, doch wählbar und bewirkt Abstumpfung.“ (S. 36)

Skeptisch zeigt sich Wolffsohn im Blick auf die Wirkung von Bildung, um den Antisemitismus zu stoppen: „National- und universalhistorisch ist die Annahme, Bildung fördere Menschlichkeit, leider widerlegt.“ (S. 44) Bildung sei gut und notwendig, „doch naiv ist es, Bildung, ja die Aufklärung als Allheilmittel zu betrachten … Bildung, verstanden als Addition von Wissen, bedeutet keineswegs auch Herzensbildung.“ (S. 52f.) Herzensbildung sei aber kein Schul- oder Universitätsfach, schreibt er später (S. 74) und pointiert formuliert er gegen Ende des Buches: „Wissen und akademische Titel schützen nicht vor Lügen und sind kein Zeichen für Klugheit bzw. Intelligenz.“ (S. 88)

Der Autor scheint die These zu vertreten, dass auf dem Volk der Juden ein Segen liegt, von dem die Nationen profitieren können: „Seit rund 3000 Jahren beweist die Jüdische Weltgeschichte den sogenannten Gastvölkern: Wenn es ihren Juden gut geht, geht es auch ihnen gut und besser, weil Juden in der Regel nicht nur absolut loyale Staatsbürger, sondern auch vorzüglich ausgebildet und deshalb innovativ sind. Das wiederum ist ein wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Modernisierungsmotor. Wo es Juden gut geht, geht es allen gut und besser.“ (S. 45)

Obwohl er auch Kritik an der deutschen Politik übt (z. B. bemängelt er, dass die Sicherheit aller Bürger nicht als staatliche Bringschuld gesehen werde, sondern an die Zivilcourage der Bürger appelliert wird, S. 55), findet Wolffsohn, dass trotz aller Defizite dieses Deutschland das beste Deutschland sei, das es je gab (S. 27) bzw. „ein gutes Deutschland“ (S. 65).

In seiner zweiten Rede bezeichnet Wolffsohn den Antisemitismus in Deutschland als ein „Eigengewächs“, denn es gebe sowohl einen hausgemachten als auch einen importierten Antisemitismus. Zum ersten nennt er Beispiele ehemaliger Bundeskanzler, zum zweiten bemängelt er das Totschweigen der muslimischen Dimension aus moralisch-migrationspolitischen Motiven und geht auf theologische und historische Hintergründe ein (S. 60ff.).

Im dritten Teil des Buches (S. 69-93) geht es darum, wie es von Wut, Empörung und Resignation zum Denken und zum Handeln kommen kann. Dabei ist der erste Satz ernüchternd: „Ein sympathischer Tor, wer meint, der Antisemitismus wäre zu überwinden.“ (S. 69) Überwinden sei nicht möglich, aber eindämmen könne man ihn. Unter anderem durch „funktionale Toleranz“, Sicherheit für alle Bürger, Herzensbildung und Differenzierung.

„Funktionale Toleranz“ beschreibt Wolffsohn als ein Leben und leben lassen, auch wenn einem der Lebensstil des Anderen nicht behagt. „Diese funktionale Toleranz ist alles andere als perfekt, doch sie ist vor allem nicht tödlich. Wie im Straßenverkehr. Ich muss meinen Nächsten nicht lieben, ich ihn (aus meinem geschlossenen Auto) mit Schimpfworten überhäufen, ohne dass er meine Flüche hört. Er schießt nicht auf mich und ich nicht auf ihn, und der Straßenverkehr fließt. Wir mögen uns nicht, was auch unsere Körper- und ,Autosprache‘ signalisiert, aber wir beide halten an der Ampel bei Rot. Regelbrüche werden bestraft. Unabhängig von Herkunft und ,kulturellem Hintergrund‘. Funktionale Toleranz entspricht nicht dem Toleranzideal, ist jedoch weitaus besser als gar keine Toleranz.“ (S. 71)

Ich habe dieses kleine Buch mit persönlichem Gewinn gelesen. Manche Zusammenhänge waren mir nicht bewusst. Meines Erachtens ist das Buch weder polemisch noch unangemessen parteiisch. Klar, Michael Wolffsohn ist jüdischer Abstammung und hat in der israelischen Armee gedient. Studiert hat er aber nicht nur in Tel Aviv, sondern auch in Berlin und New York. Er macht auf mich einen versöhnten Eindruck, was auch durch sein Engagement im gemeinnützigen deutsch-jüdisch-islamisch-interkulturellen Kultur- und Integrationsprojekt „Gartenstadt Atlantic“ in Berlin (zusammen mit seiner Frau) zum Ausdruck kommt. Sein Buch hinterlässt nicht Hoffnungslosigkeit oder Resignation, sondern Zuversicht, denn „Das Gute bzw. Ethische, Moralische mag im Hier und Heute untergehen, langfristig obsiegt es“, sowie es bei Jesus nicht alles mit dem erbärmlichen Kreuzestod als Niederlage endete, sondern es durch die Auferstehung von der Niederlage zum Sieg kam (S. 81).

edp, 16.02.2024

Herder Verlag, Freiburg, 2024, ISBN 978-3-451-07239-0, auch als EPUB verfügbar.

Michael Wolffsohn, Prof. Dr., geb. 1947, ist Historiker und Publizist. Von 1981 bis 2012 arbeitete er als Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München. Er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. kürte der Deutsche Hochschulverband Michael Wolffsohn 2017 zum Hochschullehrer des Jahres.


 

Old and new anti-Semitism

Book review. Summary. The book “Nie wieder? Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus” [Never again? Again! Old and new anti-Semitism ]by Michael Wolffsohn addresses the resurgence of antisemitism in Europe, particularly in the context of the terrorist attack by Hamas on October 7, 2023. Wolffsohn argues that antisemitism remains prevalent and has evolved, with a significant portion now originating from Muslim communities, often supported by left-wing extremists. He predicts a potential second exodus to Israel. The book also contains two versions of a speech reflecting on the Holocaust and the need for reconciliation and inclusion of minorities. Overall, the book also discusses the importance of tolerance (“functional tolerance”), education, and differentiated discourse in combating antisemitism, while acknowledging the challenges and complexities involved. It concludes with a message of hope, emphasizing the triumph of ethical values in the long run.

Herder Verlag, Freiburg, 2024, ISBN 978-3-451-07239-0, also available as EPUB.

Michael Wolffsohn, Prof Dr, born in Tel Aviv in 1947, is a historian and journalist. From 1981 to 2012, he was Professor of Modern History at the University of the Federal Armed Forces in Munich. He has received numerous prizes and awards, including being named University Lecturer of the Year by the German University Association in 2017.


 

Viejo y nuevo antisemitismo

Reseña de libro (resumida). El libro “¿Nie wieder? ¡Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus” [¿Nunca más? ¡Otra vez! Viejo y nuevo antisemitismo ] de Michael Wolffsohn aborda el resurgimiento del antisemitismo en Europa, especialmente en el contexto del atentado terrorista perpetrado por Hamás el 7 de octubre de 2023. Wolffsohn sostiene que el antisemitismo sigue siendo frecuente y ha evolucionado, y que una parte significativa procede ahora de comunidades musulmanas, a menudo apoyadas por extremistas de izquierda. Predice un posible segundo éxodo a Israel. El libro también contiene dos versiones de un discurso en el que reflexiona sobre la necesidad de reconciliación e inclusión de las minorías. El autor también analiza la importancia de la tolerancia (“tolerancia funcional”), la educación y el discurso diferenciado en la lucha contra el antisemitismo, al tiempo que reconoce los retos y las complejidades que entraña. Concluye con un mensaje de esperanza, haciendo hincapié en el triunfo de los valores éticos a largo plazo.

Herder Verlag, Freiburg, 2024, ISBN 978-3-451-07239-0, también disponible en formato EPUB.

Michael Wolffsohn, Prof. Dr., nacido en 1947 en Tel Aviv, es historiador y periodista. De 1981 a 2012 trabajó como profesor de Historia Moderna en la Universidad de las Fuerzas Armadas Federales de Múnich. Ha recibido numerosos premios y galardones, entre ellos el de Profesor Universitario del Año otorgado por la Asociación Alemana de Universidades en 2017.

Jerusalemtag

Blick auf Jerusalem vom Ölberg aus: Altstadtmauer mit dem Goldenen Tor, Tempelberg mit dem Felsendom (auch Omar Moschee genannt), ganz hinten die Neustadt. (Foto: edp, 2019)

[nx_spacer size=”10″]Heute (22. Mai bzw. 28. Ijjar im jüdischen Kalender) feiert Israel den Jerusalemtag. Gefeiert wird die Wiedervereinigung der Stadt Jerusalem als Ergebnis des Sechstagekrieges (Juni 1967). Die arabische Bevölkerung Jerusalems empfindet diesen Gedenktag als Provokation.

Nachfolgend ein paar Fotomotive aus meinem Aufenthalt 2013 in dieser geschichtsträchtigen und faszinierenden Stadt (erstes Bild anklicken, um die Vorschau auszulösen):

Und hier ein paar Lieder, die Jerusalem besingen:

 

Today Israel celebrates Jerusalem Day. It represents the reunification of the city of Jerusalem as a result of the Six Day War (June 1967). The Arab population of Jerusalem considers this day of commemoration a provocation.

See the links and the photo gallery above.

Hoy (22 de mayo y 28 de Iyar según el calendario judío) celebra Israel el Día de Jerusalén, conmemorando la conquista de la parte oriental de la ciudad durante la Guerra de los Seis Días (junio, 1967). Los habitantes árabes consideran que este día festivo nacional es una provocación.

Véanse arriba los enlaces a algunas canciones dedicadas a esta ciudad tan histórica y fascinadora,  y la galería de algunas fotos hechas durante mi estancia en 2013.

Jung und Alt an der Klagemauer

Dieser junge Mann bläst den Schofar vor der Klagemauer. (Foto: edp)

[nx_spacer size=”5″]Das ist ein faszinierender Platz in der Altstadt von Jerusalem: die West- bzw. Klagemauer. Sie ist so etwas wie eine Freiluft-Synagoge und eine der wichtigsten religiösen Stätte des Judentums. In den nach Geschlechtern getrennten Gebetsbereichen kommen Gläubige aus der ganzen Welt, um zu beten (nicht unbedingt um zu klagen) und in den jüdischen Schriften zu lesen.

Eigentlich ist die Klagemauer nur ein Ersatz-Ort, denn am heiligsten Punkt des Tempelberges steht seit dem 8. Jahrhundert der islamische Felsendom.

Viele Besucher, Jung und Alt, stecken  aufgeschriebene Gebete, Wünsche und Danksagungen in die Ritzen und Spalten der Mauer. Im Frühjahr und Herbst werden die Zettel entfernt und ungelesen auf dem jüdischen Friedhof auf dem Ölberg begraben.

Der Platz davor dient als Veranstaltungsort für religiöse Zeremonien wie die Bar Mizwa (Feier der Religionsmündigkeit) und auch für militärische Events.

Ich war mehrmals hier, zu verschiedenen Tageszeiten, und jedes Mal war der Platz voll. Als ich während einer Reise eine Woche lang in Jerusalem verbrachte, konnte ich an mehreren Tagen stundenlang an der Mauer verweilen. Problemlos konnte ich fotografieren, filmen und mich mit manchem Beter unterhalten (u. a. mit einem jungen Juden aus den USA). Ich kann einen Besuch (oder mehrere) sehr empfehlen, sowohl als Tourist als auch als Beter.

 

Bildergalerie / Galería de fotos (Fotos: edp, 2013, 2017 und 2019)

Erstes Bild anklicken, um den Bilderablauf zu starten. Wenn man auf den i unter dem Foto anklickt, erscheint bei einigen Bildern oben rechts eine Information.

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Un lugar digno de visitar

El Muro de los Lamentos es uno de los lugares religiosos más importantes del judaísmo. Es algo así como una sinagoga al aire libre. En las áreas de oración, que están separadas según el género, los creyentes de todo el mundo vienen a orar (no necesariamente a lamentar) y a leer las escrituras judías.

En realidad, el Muro de los Lamentos es sólo un lugar sustituto, porque en el punto más sagrado del Monte del Templo se encuentra la Cúpula Islámica de la Roca desde el siglo VIII.

Muchos visitantes, jóvenes y mayores, ponen oraciones escritas, deseos y agradecimientos en las grietas y hendiduras de la muralla. En primavera y otoño las notas se retiran y se entierran sin leer en el cementerio judío del Monte de los Olivos.

La plaza frente al muro sirve para ceremonias religiosas como el Bar Mitzvah (celebración de la madurez religiosa) y militares.

Estuve aquí varias veces, a diferentes horas del día, y cada vez el lugar estaba lleno. Cuando durante un viaje pasé una semana en Jerusalén, visité por muchas horas durante varios días este lugar. No tuve problemas en tomar fotos, filmar y hablar con varias personas que aquí leían y oraban (incluyendo un joven judío residente en los Estados Unidos). Recomiendo mucho una visita (o varias), tanto como turista como para orar o meditar.

Véase arriba la galería de fotos.
Con un klick sobre la primera foto comienzan  a pasar  las fotos.