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Ungenießbar!

Deutsch: Wer nicht verzichten kann, kann nicht genießen. Wer aber so auf das Verzichten fixiert ist, dass er das Genießen vergisst, der wird ungenießbar. Anselm Grün
English:  Whoever is not able to abstain, will not be able to enjoy. But he who is so obsessed with self-sacrifice that he forgets to enjoy, will become unbearable. Anselm Grün
Español:  Quien no es capaz de abstenerse, no conseguirá disfrutar. Pero quien está tan obsesionado con la abnegación que se olvida de disfrutar, se volverá insoportable. Anselm Grün

Fuhr Jesus Ente oder Porsche? (Teil 3)

Sich im schönsten Licht zu präsentieren ist eine durch und durch menschliche Neigung. Kommt diese bei einer Person auffallend vor, greifen wir zu markanten „Labels“: Angeber, Prahler, Blender, Hochstapler …

Jeder Mensch freut sich darüber, die Aufmerksamkeit und Anerkennung anderer Menschen zu bekommen. Manche sind allerdings süchtig danach: Sie müssen immer im Mittelpunkt stehen und leiden besonders, wenn sie im Vergleich zu anderen nicht als die Größten und Fähigsten abschneiden. Wir sprechen dann von Geltungssucht oder Profilneurose.

Mit dem Wissen und Können anzugeben dient der Selbsterhöhung. Genau das Gegenteil davon zeichnete Jesus Christus, den Mensch gewordenen Sohn Gottes, aus (Philipperbrief 2,6-8 nach der Übersetzung Hoffnung für alle): „Obwohl er in jeder Hinsicht Gott gleich war, hielt er nicht selbstsüchtig daran fest, wie Gott zu sein. Nein, er verzichtete darauf und wurde einem Sklaven gleich: Er wurde wie jeder andere Mensch geboren und war in allem ein Mensch wie wir. Er erniedrigte sich selbst noch tiefer und war Gott gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum schändlichen Tod am Kreuz.“

„Er erniedrigte sich selbst“: Mensch, Sklave, Verbrechertod! Das ist exakt das Gegenteil von Selbsterhöhung! Wie ich im zweiten Teil ausführte, tauschte er sozusagen seine göttliche Allmacht (die Porsche-Stärke) mit der menschlichen Ohnmacht (die Ente-Schwachheit). Und gerade weil er mit seinem Wissen und Können hätte auftrumpfen können, versuchte der Gegenspieler Satan immer wieder, ihn dazu zu verleiten.

Interessanterweise ähnelten die erste und die letzte Versuchung einander sehr. 40 Tage nach seiner Taufe leitete Satan die erste Versuchung in der Wüste mit den Worten ein: „Bist du Gottes Sohn …“ (dann mache aus diesen Steinen Brot; Matthäus [Mt] 4,6). Hätte Jesus das Wunder getan, so wäre das keinesfalls ein Versuch gewesen, anzugeben, denn er war Gottes Sohn! Er tat es aus mindestens zwei Gründen nicht: Zum einen, weil er sich auf eine Stufe mit uns Menschen stellen wollte. Zum anderen aber, weil er es nicht nötig hatte zu beweisen, wer er war oder was er konnte. Denn der Vater hatte sich 40 Tage zuvor klar zu ihm mit den Worten bekannt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ (Mt 3,17) Jesus musste das Wunder nicht tun, weil ein Größerer, sein Vater, der Herrscher des Universums, ihm seinen Wert bereits bescheinigt hatte: Du bist mein Sohn, ich freue mich von Herzen über dich.

Und wie war es bei seiner großen letzten Versuchung, kurz bevor er den Verbrechertod am Kreuz starb? Man beachte die Ähnlichkeit im Wortlaut: „Hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!“ (Mt 27,40) Hätte er vom Kreuz heruntersteigen können? Sicher: Ein gedankliches Fingerschnipsen hätte genügt, um 12 Legionen Engel aus dem Himmel zu seiner Befreiung anzufordern (Mt 26,53) – das wären 36.000 bis 72.000 Engel gewesen! Warum tat er es dann nicht? Wieder aus zwei Gründen: Erstens, weil er nichts zu beweisen hatte, denn der Vater hatte ihm auf dem so genannten Verklärungsberg wieder bestätigt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ (Mt 17,5) Wenn der Vater sich zu ihm bekennt, dann ist das die höchste Anerkennung – eines weiteren Beweises bedarf es nicht.

Aber es gab einen zweiten, gewichtigen Grund: Wäre er ausgestiegen, wäre der Plan zur Rettung der Menschen aus dem Machtbereich Satans gescheitert. Wir wären alle verloren. Für immer!

Jesus hätte heruntersteigen können und nicht alle Nägel der Welt hätten ihn daran hindern können. Es war seine Liebe zu mir und zu dir, die ihn am Kreuz hielt, damit wir nicht den Tod für die Ewigkeit erleiden müssen. Welch eine riesengroße Liebe!

Jesus wäscht Petrus die Füße. BU: Jesus wäscht Petrus die Füße. Skulptur vor dem LivingWell Center in Silver Spring, MD, USA. (Foto: edp)

Einige Stunden vor seiner Kreuzigung erniedrigte sich Jesus zum Sklavendienst, als sich vor dem Abendmahl kein Diener fand, der die schmutzigen Füße der Jünger hätte waschen können. Und warum tat er das? Es wird im Johannesevangelium Kapitel 13 beschrieben (hier die Verse 3ff. nach der Neues Leben Bibel zitiert):

Jesus aber wusste, dass der Vater ihm uneingeschränkte Macht über alles gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehren würde. Er stand vom Tisch auf, zog sein Obergewand aus, band sich ein Handtuch um die Hüften und goss Wasser in eine Schale. Dann begann er, seinen Jüngern die Füße zu waschen …

Jesus war sich nicht zu schade, diesen Sklavendienst zu verrichten, weil er wusste, wer er war, woher er kam und wohin er gehörte! Dieses Wissen: Ich bin ein wertvolles Kind Gottes, zu einem hohen Preis von Jesus Christus gerettet; ich bin kein Produkt einer blinden Evolution, sondern komme von Gott und werde eines Tages auch zu ihm zurückkehren und für immer bei ihm wohnen – dieses Wissen kann uns von jeglicher Geltungssucht oder Profilneurose heilen bzw. davor bewahren, wenn wir täglich daran denken und Gott dafür danken!

Fuhr Jesus Ente oder Porsche? (Teil 2)

„Gib Gas! Es ist grün!“ (Foto: music4life, pixabay)

 

An der mehrspurigen Kreuzung warten eine Ente (ein Citroën 2CV) und ein Porsche nebeneinander bei roter Ampel. Es wird grün. Für welchen Fahrer wird die Versuchung wohl größer sein, bei grün aufs Gaspedal zu treten, um davon zu brausen?

Als Jesus Christus den Himmel verließ, um Mensch zu werden und unter uns zu wohnen und zu wirken, tauschte er sozusagen seine göttliche Allmacht (die Porsche-Stärke) mit der menschlichen Ohnmacht (die Ente-Schwachheit) – darüber schrieb ich im ersten Teil. Der Schöpfer und Erhalter des Universums war als hilfloses Baby völlig von der Fürsorge seiner Eltern abhängig – wie jeder von uns. Natürlich ließ sein Erzfeind Satan (der gefallene Engel Luzifer) keine Gelegenheit aus, ihn zu vernichten oder zumindest zu verführen.

Im Hebräerbrief 2,18 steht (nach der Übersetzung Hoffnung für alle):

Denn weil er [Jesus] selbst gelitten hat und denselben Versuchungen ausgesetzt war wie wir Menschen, kann er uns in allen Versuchungen helfen.

Die Quantität der Versuchungen kann damit nicht gemeint sein, denn sicher wurde Jesus niemals versucht, sich einen Pornofilm anzusehen oder nach einem Autounfall Fahrerflucht zu begehen. Es geht vielmehr um das Wesen der Versuchung überhaupt, nämlich aus eigener Kraft zu leben, ohne auf Gott angewiesen zu sein: Handle autonom! Emanzipiere dich von Gott! Du schaffst es aus eigener Kraft!

Deutlich wird das bei der ersten „großen“ Versuchung in der Wüste. Nachdem Jesus 40 Tage lang gefastet hatte, flüsterte Satan ihm ein: „Wenn du Gottes Sohn bist, dann befiehl doch, dass diese Steine zu Brot werden!“ (Matthäus 4,3 Hfa) Mit anderen Worten: Bist du Gottes Sohn, dann bist du allmächtig – beweise es, indem du dieses Wunder tust.

Für mich wäre das keine Versuchung gewesen, denn ich bin nicht allmächtig. Wieso war es eine für Jesus, wenn er ganz und gar Mensch wie wir geworden war? Hier haben wir es mit so etwas wie „höherer Mathematik“ zu tun: Es ist für uns unbegreifbar, aber Jesus war Gott und Mensch zugleich. Das heißt, er hörte nicht auf, Gott zu sein, wohl verzichtete er aber darauf, von seiner göttlichen Macht Gebrauch zu machen. Das (und viel mehr) steckt in den Worten des Paulus im Philipperbrief (2,6-7 NGÜ): „Er, der Gott in allem gleich war und auf einer Stufe mit ihm stand, nutzte seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil aus.“ Jesus verzichtete darauf, seine göttliche Macht einzusetzen und holte sich stattdessen die Kraft von seinem Vater im Himmel, mit dem er eng verbunden lebte. Übrigens: die selbe Kraft, die jedem von uns zur Verfügung stellt.

Zurück zur Ente und dem Porsche: Jesus fuhr Ente, verfügte aber über einen zusätzlichen „Turbogang“, mit dem er seine Allmacht in jedem Augenblick hätte zuschalten können – es aber nicht tat. (Hätte ich eine Ente mit solch einem Turbogang, wie gern würde ich ihn an jeder Kreuzung schalten, um jeden Porsche zu überholen!) Hätte er seine göttliche Natur im Himmel gelassen, hätte er es viel leichter gehabt. Daher war es doch an jeder „Kreuzung“ seines Lebens eine Versuchung, diesen Turbogang einzuschalten, von seiner ruhenden Allmacht Gebrauch zu machen – um sich den mühevollen Weg abzukürzen, oder einfach um zu beweisen, dass er das war, was er vorgab zu sein, nämlich Gottes Sohn.

Er tat es nicht, weil er nichts beweisen musste. Und er tat es nicht, weil er uns liebt. Auch darin ist er mir ein ermutigendes Vorbild: Weil Gott ja zu mir gesagt hat, habe ich es nicht nötig, meinen Wert zu beweisen. Und wenn Jesus, der ja allmächtig war, kein Problem damit hatte, in einer ständigen Abhängigkeit vom Vater zu leben und zu wirken, dann habe ich es nicht nötig, den Großen und Starken zu spielen; denn wir sind nicht allmächtig. Je enger wir mit Gott verbunden leben, desto besser kommt seine Macht in unserem Leben zur Geltung.

(Wo Jesus seine letzte und größte Herausforderung erlebte, werde ich im nächsten und letzten Teil 3 ansprechen.)