Dienstag, 10. Mai. Dieser zweite Tag in Jerusalem und Umgebung hatte wieder einige Besonderheiten, auch für mich. Zum Beispiel den Besuch des Tempelberges, wo ich seit 1987 nicht gewesen war. Es war ein sehr friedlicher Vormittag dort; hätte es dort – wie in den letzten Wochen häufig der Fall – Unruhen gehabt, hätten wir natürlich den Besuch gestrichen. Besonders beeindruckend war für mich, das (verschlossene) Goldene Tor von hinten, also von der muslemischen Rückseite zu sehen (inzwischen eine islamische Gebetsstätte).
Einer meiner Lieblingsplätze stand zu Beginn auf dem Tagesplan: die parkähnliche Umgebung des Teiches Bethesda. Das Singen in der Kirche St. Anna hat viele von uns berührt.
Endlich konnte ich diesmal das berühmte Österreichische Hospiz besuchen, von dem ich ein Video auf ARTE gesehen hatte: ein nobles Hotel mitten in der Via Dolorosa, mit einem Restaurant und der Möglichkeit, sich im Wiener-Kaffeehaus-Stil zu stärken, was einige ja auch taten. Ich zog es vor, einige Räumlichkeiten zu besuchen und aufs Dach zu steigen, um einen Blick über die Dächer der Altstadt zu werfen.
Am Nachmittag ging es dann zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem – für mich persönlich ist das kein Pflichtbesuch, sondern immer wieder ein Ort zum Nachdenken und zum Beten. Und, obwohl ich dort so häufig war, beeindruckte mich wieder die Denkmal-Halle für die Kinder. Während fünf Kerzen in der Dunkelheit so reflektiert werden, dass ein ganzer Sternenhimmel entsteht und so an die 1,5 Millionen ermordeten jüdischen Kinder erinnert, werden im Hintergrund die Namen, das Alter und der Geburtsort der Kinder von einem Tonband abgespielt. (Dieses Endlosband braucht ungefähr drei Monate, um alle Namen wiederzugeben.) Mit einer kleinen Gruppe besuchten wir auch noch den Gedenkbaum (einen Johannisbrotbaum) für den adventistischen Geschäftsmann und Retter vieler Juden Jean Weidner: Von der adv. Schule in Collonges sous Salève (in Frankreich an der Grenze zu Genf) aus leitete er das westeuropäische Dutch-Paris-Fluchtnetzwerk, das mehr als 1.000 verfolgte Menschen aus dem besetzten Westeuropa über die Pyrenäen nach Spanien in Sicherheit brachte.
Die letzte Besichtigung des Tages galt dem malerisch gelegenen Dorf En Karem, der Heimat von Johannes dem Täufer. Die Außenanlage der Franziskanerkirche mit den vielen Versionen (41) des Lobgesangs der Maria erinnert stark an die Paternosterkiche in Jerusalem. Ich mag diesen Ort sehr, besonders am Sabbat, wenn das Leben im nur siebeneinhalb Kilometer entfernten Jerusalem völlig ruht. Ich verehre Maria nicht als „Mutter Gottes“, bewundere sie aber als junge Frau, die im Alter von etwa 14 bis 16 Jahren Gott so viel Vertrauen entgegenbrachte und bereit war, in Verruf zu kommen und ihre Zukunft aufs Spiel zu setzen.
Weitere Fotos des Tages
Sonstiges
> ANDACHT Er starb an meiner Stelle! am Dienstagnachmittag in Yad Vashem
> Homepage von Yad Vashem
> Wikipedia über Jean Weidner
> Südfrankreich vor den Toren Jerusalems (DIE WELT über En Kerem)
> Biblisches über En Kerem
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