Mein erster Zoom-Gottesdienst

Mit dieser digitalen “Anzeige” hatte die ComingHOME-Kirchengemeinde zum Gottesdienst eingeladen.

[nx_spacer size=”10″]Wie er wohl ablaufen wird? Hoffentlich streikt die Technik nicht! Es sollte der erste Zoom-Gottesdienst sein, den ich besuchen würde, und bei dem ich die Predigt halten sollte. (Zoom ist eine weltweit verbreitete Videokonferenz-Software.)

Aber alles der Reihe nach: Wäre nicht die Corona-Pandemie ausgebrochen, wären wir, meine Frau und ich, am vergangenen Wochenende in Darmstadt gewesen, um am Jubiläumstreffen der Abgangsklasse 1975 des Theologischen Seminars Marienhöhe teilzunehmen. Es war ausgemacht, dass ich am Sonnabendvormittag in der Kirchengemeinde ComingHOME predigen würde. (Das ist eine der sechs Adventgemeinden in Darmstadt.) Nun erreichte mich Anfang der Woche die Anfrage, ob ich bereit wäre, die Predigt über Zoom zu halten. Einen Tag später habe ich zugesagt und begonnen, eine Predigt vorzubereiten, die zwischen 20 und 25 Minuten dauern durfte. (Mein Durchschnitt liegt bei 30 bis 40 Minuten!)

Wie ich zum Thema der Predigt kam, ist eine interessante Nebengeschichte: Wir lesen unseren Enkelkindern, die am Bodensee leben (800 km von Lüneburg entfernt!), jeden Abend über FaceTime (das ist eine Videotelefonie-App) vor, und zwar aus dem Jugendbuch-Bestseller „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Eine bestimmte Szene aus dem Buch brachte mich zum Thema: „Ich schäme mich“ und lieferte mir gleich den Dialog für die Einführung und für den Schluss der Predigt. Diese sollte eine Ermutigung für alle sein, die sich schämen, so, wie sie sind, in die Nähe Gottes zu kommen (zum Beispiel im Gebet).

Am Donnerstagabend bekam ich von einem der Gemeindeleiter erklärt, wie Zoom funktioniert, am Freitag erstellte ich ein paar PowerPoint-Folien, eine Predigtfassung zum Nachlesen für die interessierten Zuhörer und eine Liedpräsentation. Ach ja: Abends noch installierte ich eine Teleprompter-App auf dem Tablet, um nicht am Predigtskript zu kleben. Und am Morgen des Sonnabends machte ich mich auf den Weg … ins Wohnzimmer: im Hemd und in bequemer Haushose (diese würde ja keiner sehen).

Jetzt wurde es spannend: Für mich war es der erste Zoom-Gottesdienst, für diese innovative Gemeinde bereits der sechste! Beginn war um 10 Uhr, aber bereits ab 9 Uhr war die digitale Kirche geöffnet. D. h. wer wollte, konnte sich einwählen, um sich dann mit anderen anwesenden Personen zu unterhalten. Wir konnten einander sehen und miteinander (aber nicht gleichzeitig) sprechen, uns vorstellen usw. Das funktionierte so gut, dass meine Sorgen immer kleiner wurden.

Um Punkt 10 Uhr übernahm eine sympathische junge Frau die Moderation. Dass sie sich aus Würzburg zugeschaltet hatte, merkte man nicht. Genauso wenig wie die Standorte der anderen Teilnehmer: Abgesehen von den Personen, die zu dieser Kirchengemeinde gehören, waren auch Gäste aus Mainz, Lübeck, Lüneburg, München, Hamburg, Neuburg an der Donau und vielen anderen Orten zu sehen. Sie waren mit ca. 90 Geräten eingewählt, 140 Personen nahmen am Gottesdienst teil.

Sie saßen (häufig als Ehepaar, mit Kindern oder ohne) gemütlich in ihren Wohnzimmern leger gekleidet. Es war schön anzusehen! Da wurde ein Baby auf dem Arm getragen, ein Junge machte Grimassen hinter dem Kopf seiner Mutter, jemand trank zwischendurch eine Tasse Tee und … keiner musste eine Schutzmaske tragen! Musik über Keyboard wurde eingespielt, einige der Gäste durften sich vorstellen, es gab Bekanntmachungen und dann, was beim Gottesdienst der Adventisten nicht fehlen darf, Bibelgesprächsgruppen in separaten virtuellen Räumen! Zur Auswahl standen zwei Gesprächsgruppen über das Bibelthema der Woche, eine weitere über ein freigewähltes, aktuelles Anliegen, eine vierte als Gebetsgruppe, eine fünfte Gruppe für Jugendliche und dann noch welche für die jüngeren Kinder. In der von mir gewählten Gruppe waren wir zwölf Personen und wir hatten ein angeregtes Gespräch – bis der technische Moderator die verbleibenden 60 Sekunden ankündigte und uns dann pünktlich aus den Gesprächsräumen ins Plenum holte. Wie praktisch! Da war kein Überziehen möglich!

Nach einer Kaffee-, Toiletten- oder was auch immer Pause, startete dann der dritte Teil des Gottesdienstes, in dem ich dann nach einer kurzen Vorstellung die Predigt hielt. Es funktionierte fast alles recht gut (das Einblenden der Folien muss ich noch üben) und, soweit ich es sehen konnte, ist nur das Baby eingeschlafen. Die E-Mails und WhatsApps, die ich im Laufe des Tages erhielt, zeigten mir, dass viele dieses sehr persönlich gehaltene Thema geschätzt haben. Ach ja: Weitere Bibeltexte, die ich gern behandelt hätte, hatte ich ins Predigtskript aufgenommen, das am Ende des Gottesdienstes von der Homepage der Gemeinde als PDF zum Herunterladen abrufbar war.

Im vierten Teil des Gottesdienstes gab es noch ein Geburtstagslied, einige Ansagen und dann die Gelegenheit zum Austausch für alle, die vorgekocht hatten. Es war kurz nach 12 Uhr.

Dieser Zoom-Gottesdienst war für mich ein sehr positives Erlebnis. Viel besser als nur auf der Couch vor dem Fernseher zu sitzen, um sich eine Predigt anzusehen. Natürlich ist auch das besser als nichts, denn nicht jede Kirchengemeinde ist in der Lage, diese interaktive Variante anzubieten. Einer der Gemeindeleiter sagte mir, dass sie erwägen, auch nach der Aufhebung der Versammlungseinschränkungen diese Technik parallel zu nutzen, und zwar für alle, die aus Alters- oder sonstigen Gründen zu Hause bleiben müssen. Und ich erfuhr im Vorprogramm, dass sie sogar einen Abendmahlsgottesdienst über Zoom durchgeführt haben, für den im Vorfeld Traubensaft (in kleinen Flaschen) und Abendmahlsbrot als Päckchen an die Gemeindeglieder versandt wurden.

Mir hat der Zoom-Gottesdienst dieser innovativen und offenen Gemeinde sehr gefallen. Daher freue ich mich schon jetzt darauf, sie spätestens im nächsten Jahr vor Ort kennenzulernen, wenn wir das aufgeschobene Klassentreffen nachholen. Noch eins hätte ich beinah vergessen: Eine Kollekte wurde nicht gesammelt: Die elektronische Abgabe ist (noch) nicht in Zoom implementiert.

Diese Bilder hat keiner sehen können – auch meine Haushose nicht.