Ein fragwürdiges Marienbild

Verkündigungskirche in Nazareth. Maria sitzt als Himmelskönigin auf dem Thron. (Foto: edp, 2017)

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Wenn Maria so eine bescheidene Frau war, wie ist es denn zum „Marienkult“ gekommen? *

Während die Evangelien ein völlig unprätentiöses Bild von Maria, der Mutter Jesu, zeichnen, hat sich im Laufe der Kirchengeschichte die Marienverehrung zu einem regelrechten Marienkult entwickelt. Zwei Kirchen Israels fallen diesbezüglich besonders auf: die Verkündigungskirche in Nazareth und die Abteibasilika Dormitio Beatae Mariae Virginis auf dem Zionsberg in Jerusalem.

Hier einige der Stationen dieser Entwicklung und ein paar Fotos beider Kirchen:
• Nirgendwo im Neuen Testament wird Maria als Mutter Gottes oder als Mutter der Kirche bezeichnet. Auf folgendem Bild kann man bspw. die Bezeichnung „Mater Ecclesiae“ (Mutter der Kirche) lesen. Diesen Marientitel verkündete Papst Paul VI. 1964, das Motiv Maria als Mutter der Kirche geht bis auf das 9. Jhdt. zurück.

Verkündigungskirche in Nazareth. Maria als Mutter der Kirche. (Foto: edp, 2017)
Maria mit dem Kind Jesus an einer Fassade des Apostolischen Palastes in Rom. Bildunterschriften: GANZ DEIN und MUTTER DER KIRCHE. (Foto: Johannes Joas, 2008, public domain via Wikimedia Commons)

• Nirgendwo im Neuen Testament wird Maria als Himmelskönigin bezeichnet. Auf folgendem Bild der Dormitio Abteibasilika kann man eine Szene der Krönung Mariens als Himmelskönigin sehen, eine Anrufung, die seit dem 12. Jhdt. weite Verbreitung fand.
• Nirgendwo im Neuen Testament ist von einer Himmelfahrt Mariens die Rede. Dieser Himmelfahrt der Maria ist ja die Dormitio Abteibasilika gewidmet: Die Krönung der Maria habe – so die römisch-katholische Lehre – nach der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel stattgefunden. Dieses Dogma wurde 1950 durch Papst Pius XII. verkündet. Die Bibel lehrt allerdings, dass alle Menschen – auch die Gläubigen – in ihren Gräbern bis zur Auferstehung am Ende der Zeit ruhen. (1)

Krönung der Maria. Mosaik in der Dormitio-Basilika auf dem Zionsberg in Jerusalem. (Foto: edp, 2019)

• Nirgendwo im Neuen Testament ist davon die Rede, dass ein Mensch sündlos geboren sein und ein Leben lang sündlos gelebt haben soll. (2) Das behauptet aber das Dogma der unbefleckten Empfängnis Mariens, das 1854 von Papst Pius IX. verkündet wurde. Dieses besagt, dass Maria, obwohl auf natürliche Weise von ihren Eltern gezeugt, empfangen und geboren wurde, als einziger Mensch von der „Erbsünde“ frei gewesen sei. Dies wird mit dem Marientitel „Immaculata“ (die Unbefleckte) zum Ausdruck gebracht. Für die römisch-katholische Kirche sei das eine Voraussetzung dafür gewesen, Jesus Christus auf die Welt zu bringen. Und auch dafür, nach ihrem Tod in den Himmel aufgenommen zu werden, ohne einer Läuterung im Fegefeuer zu benötigen.
• Nirgendwo im Neuen Testament wird gelehrt, dass es einer Vermittlung zwischen uns Menschen und Gott bedarf, ausgenommen die des einzigen Mittlers Jesus Christus. (3) Maria wird allerdings nach römisch-katholischer Lehre und Praxis diese Rolle zugeschrieben: „Maria, Mittlerin der Gnaden“. Allerdings wurde diese Rolle (bisher) nicht zum Dogma erklärt.

Ich persönlich finde Maria aus mehreren Gründen vorbildlich, wie ich einem früheren Beitrag ausgeführt habe. Aber der Kult, der im Laufe der Kirchengeschichte um ihre Person entstanden ist, halte ich für sehr bedauerlich, und zwar aus drei Gründen:
1. Die Überhöhung der Person Mariens und ihres Wirkens entspricht in keiner Weise dem, was das Neue Testament über sie berichtet. D.h. hier werden Traditionen, kirchliche Lehren und volkstümliche Bräuche über die Bibel gestellt und stehen sogar im Widerspruch zur biblischen Lehre.
2. Die Überhöhung der Person Mariens und ihres Wirkens trägt nicht dazu, die Person, den Charakter und das Wirken von Jesus Christus zu erhöhen, sondern das Gegenteil ist der Fall: Der Sohn Gottes rückt vielfach in den Hintergrund bzw. steht im Schatten der Marienverehrung.

Frauengruppe aus Südamerika in der Gruft der Dormitio-Basilika auf dem Zionsberg in Jerusalem. (Foto: edp, 2019)

3. Ich bewundere und respektiere die Frömmigkeit und die Hingabe der Gläubigen, die Maria verehren. Letztlich sieht nur Gott das Herz der Menschen und nur er kennt die Beweggründe ihrer Frömmigkeit. Aber sie tun mir leid, weil sie vielfach nicht dem folgen, was Gott in seinem Wort hat festhalten lassen, sondern Lehren und Bräuchen von Menschen.

* Fragen und Themen, die sich aus der Reihe „Auf den Spuren Jesu in Israel“ ergeben haben.

Fußnoten:
(1) Daniel 12,13; Johannes 5,25.29; 1. Thessalonicher 4,16.17
(2) Römer 3,10.22-23
(3) 1. Timotheus 2,5; 1. Johannes 2,1

Siehe auch den Beitrag Was qualifizierte Maria, Jesu Mutter zu werden?

Weitere Beiträge in Vorbereitung:

  • Was ist über die Kindheit Jesu bekannt?
  • Hat Jesus Geschwister gehabt?


 

If Mary was such a modest woman, how did the “cult of Mary” come about?

Abstract
The Gospels paint a very positive picture of Mary, the mother of Jesus, but none of what has developed in the course of Church history has a biblical basis, but even contradicts the statements in the New Testament: Mary as Mother of the Church; Mary as Queen of Heaven; Mary’s bodily assumption into heaven after her death; Mary’s immaculate conception; her mediating role between us humans and God.
With all due respect to the sincere believers: The exaltation of the person of Mary and her work not only contradicts biblical teaching, but contributes to relegating Jesus Christ himself to the background.


 

¿Si María era una mujer tan modesta, ¿cómo surgió el “culto a María”?

Resumen
Los Evangelios pintan un cuadro muy positivo de María, la madre de Jesús, pero nada de lo que se ha desarrollado en el curso de la historia de la Iglesia tiene base bíblica, sino que incluso contradice las afirmaciones del Nuevo Testamento: María como Madre de la Iglesia; María como Reina del Cielo; la asunción corporal de María al cielo después de su muerte; la concepción inmaculada de María; su papel mediador entre nosotros, los humanos, y Dios.
Con el debido respeto a los fieles sinceros: La exaltación de la persona de María y de su obra no sólo contradice la enseñanza bíblica, sino que contribuye a relegar a Jesucristo mismo a un segundo plano.