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Die Bibel berichtet sehr ehrlich über die Schwächen der Menschen, die Gott in Führungspositionen berufen hat: König David zum Beispiel. Oder der Prophet Jona. Das ist für mich ein Hinweis auf die Echtheit der Heiligen Schrift. Rein menschliche Autoren hätten die Schattenseiten weggelassen und nur die Heldentaten berichtet.
Hier ein paar Gedanken, die mir beim Lesen des (kurzen) Buches Jona in den Sinn gekommen sind:
- Zuerst macht er sich auf die Flucht vor Gott: Statt nach Ninive zu gehen (im heutigen Irak), um eine Gerichtsbotschaft im Auftrag Jahwes zu überbringen, geht er nach Jaffa und steigt in ein Schiff nach Tarsis (im heutigen Andalusien) ein. Das ist exakt die entgegengesetzte Richtung!
- Das wäre eine Schiffsreise von etwa 5.000 Kilometern gewesen. „Gewesen“, weil Jona nicht sehr weit kam: Ein schwerer Sturm brachte das Schiff in große Seenot. Während die Seeleute ihr Bestes gaben, schlief Jona seelenruhig in seiner Kajüte. Da hat er starke Nerven gehabt!
- Es war der heidnische Kapitän (!), der Jona auffordern musste, seinen Gott um Hilfe zu bitten, sowie die ebenfalls heidnischen Seeleute zu ihren Göttern beteten, als sie mit ihrem Latein am Ende waren: „Was liegst du hier herum und schläfst? Los, steh auf und ruf zu deinem Gott um Hilfe! Vielleicht erbarmt er sich und lässt uns nicht umkommen!“
- Erst nachdem per Loswerfen der Schuldige gesucht wurde, gab Jona zu, dass er sich auf der Flucht vor seinem Gott befand. Was für eine Blamage für einen Propheten Jahwes!
- Als Lösung schlug Jona vor, dass sie ihn ins Meer warfen, aber das brachten sie zunächst nicht fertig! Sie ruderten weiter, kamen aber nicht ans Land, weil der Sturm immer heftiger tobte. Erst dann warfen sie Jona über Bord und baten dann Gott um Vergebung für ihre verzweifelte Tat.
- Jahwe, der den Sturm ausgelöst hatte, ließ seinen unwilligen Propheten nicht umkommen, denn er liebte ihn immer noch – und die Menschen in Ninive, die er warnen sollte, waren Ihm auch nicht gleichgültig. Er ließ einen großen Fisch Jona auffangen und unversehrt verschlingen.
- Jetzt hatte Jona Zeit (drei ganze Nächte und die Zeit dazwischen), sich und sein Verhalten zu hinterfragen und mit Gott darüber zu sprechen. Schön, sein Gebet: „Das Wasser ging mir bis an die Kehle. Ich versank im abgrundtiefen Meer, Schlingpflanzen wanden sich mir um den Kopf.“ (2,6 GNB)
- Nach dieser Besinnungszeit ließ Gott den Fisch ans Ufer schwimmen und Jona ausspucken. Da war er glücklich, wie es seinem Gebet zu entnehmen ist: „Du, HERR, mein Gott, hast mich heraufgezogen und mir das Leben neu geschenkt!“ (2,7 Hfa)
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- Nun war Jona bereit, der zweiten Aufforderung Gottes zu folgen und nach Ninive zu gehen. Ich hätte erwartet, dass er den Menschen dort von seiner Erfahrung berichtet, davon, wie Gott ihm seinen Ungehorsam verziehen und durch ein Wunder gerettet hatte. Das hätte, so denke ich, die Menschen in Ninive motiviert, mehr über diesen Gott erfahren zu wollen. Ich weiß nicht, wie lang seine Predigt war, nach dem biblischen Bericht war sie nicht nur sehr kurz, sondern überhaupt nicht empathisch, ja sogar lieblos: „Noch vierzig Tage, dann legt Gott Ninive in Schutt und Asche!“ (3,4 Hfa)
- Erstaunlich finde ich das, was nach dieser unmotivierten Predigt geschah: „Da glaubten die Einwohner von Ninive an Gott.“ Noch mehr: „Sie beschlossen zu fasten, und alle, von den einflussreichsten bis zu den einfachen Leuten, zogen als Zeichen ihrer Reue Kleider aus grobem Stoff an.“ (3,4 Hfa) Da hielt der heidnische König eine „bessere“ Predigt als Jona, als er sich an die Bürger Ninives wandte: „Jeder muss von seinen falschen Wegen umkehren! Keiner darf dem anderen mehr Unrecht tun!“ (3,8 Hfa)
- Es war nicht Jona, der einen möglichen Ausweg aus dem Gericht aufzeigte, sondern der König selbst! „Vielleicht lässt sich Gott ja noch umstimmen und hat Erbarmen mit uns; vielleicht wendet er seinen glühenden Zorn von uns ab, und wir kommen mit dem Leben davon.“ (3,9 Hfa) Obwohl Jona Vergebung erfahren und einen neuen Anfang gewährt bekommen hatte, gönnte er den Ninivitern Gleiches nicht, sondern hatte für sie nur ein alternativloses Gerichtsurteil.
- Tatsächlich, Gott ließ sich „umstimmen“ (menschlich gesprochen; er kannte ja den Ausgang vom Anfang an): „Gott sah, dass die Menschen von ihren falschen Wegen umkehrten. Da taten sie ihm leid, und er ließ das angedrohte Unheil nicht über sie hereinbrechen.“ (3,10 Hfa) Denn er will nichts lieber, als dass die Menschen ihre Sackgassen erkennen und den Weg zu ihm, zum wahren Leben, zurückfinden.
- Aus meiner Sicht kommt der Gipfel der Engstirnigkeit Jonas im 4. und letzten Kapitel des Buches vor: Statt sich über die Bekehrung der Bewohner Ninives zu freuen, wurde er zornig darüber, dass Gott sie nun verschonte. Und dieses freundliche Handeln Gottes warf er ihm nun gerade vor: „Ach Herr, genau das habe ich vermutet, als ich noch zu Hause war! Darum wollte ich ja auch nach Spanien fliehen. Ich wusste es doch: Du bist voll Liebe und Erbarmen, du hast Geduld, deine Güte kennt keine Grenzen.“ Wie kann man sich bloß darüber ärgern, dass Gottes Liebe und Geduld keine Grenzen kennt!! (Ich weiß, die Theologen haben für Jonas Haltung einige Erklärungen, aber ich begreife Jonas Verhalten dennoch nicht.)
- Spätestens jetzt, als Jona lieber sterben will als weiterzuleben, und auf einem Hügel darauf wartet, dass Feuer vom Himmel fällt und Ninive zerstört, hätte ich ihn ins tiefste Meer zurückbeordert. Und was tut Gott? Er gibt ihm noch in aller Geduld eine Lektion in Empathie, und zwar nicht in Vortragsform sondern als eigenes Erlebnis: Er schenkt ihm über Nacht eine ausgewachsene Rizinusstaude als „Sonnenschirm“ gegen die Hitze, und lässt in der darauf folgenden Nacht einen Wurm die Wurzeln des Rizinus zerfressen. Jetzt wünscht sich Jona zum zweiten Mal zu sterben. Und nun endet das Buch mit einer Frage, die offen bleibt, aber Jonas sicher sehr nachdenklich stimmte: „Du hast dich mit dieser Staude keinen Augenblick abmühen müssen, nichts brauchtest du für sie zu tun. In einer Nacht ist sie gewachsen, und in der nächsten ging sie zugrunde. Trotzdem hättest du sie gerne verschont. Ich aber sollte Ninive nicht verschonen, diese große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen leben, die Gut und Böse nicht unterscheiden können, und dazu noch so viele Tiere?“ (3,10-11 Hfa)
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Fünf Schlussfolgerungen habe ich für mich aus dieser erstaunlichen Geschichte gezogen:
- Menschen, die Gott nicht persönlich kennen, können ethisch so vorbildlich handeln, dass Fromme sich davon „eine Scheibe abschneiden“ können. Ein befreundeter Pastor hat dieses Zitat dazu gepostet: „Es ist leichter, einen Heiden zu bekehren, als einen Frommen nach Ninive zu schicken.“ (unbekannt)
- Du kannst nie tiefer fallen, als in Gottes Hand – selbst wenn du dich auf der Flucht vor Gott befindest!
- Manchmal schickt uns Gott in die Dunkelheit, damit wir sehen können: uns selbst, unser Handeln und Gottes Pläne mit uns.
- Es kommt nicht darauf an, wie sprachgewandt wir sind, wenn wir Menschen von Gott erzählen, sondern darauf, dass Er durch seinen Geist die Herzen der Hörer erreicht. (Was natürlich nicht bedeutet, dass es gleichgültig ist, wie wir uns verhalten und wie wir reden.)
- Wenn wir vergessen, wie liebevoll und gnädig Gott mit uns umgegangen ist, werden wir hart und unbarmherzig unseren Mitmenschen gegenüber. Darum: „Vergiss nicht, was Er dir Gutes getan hat!“ (Psalm 103,2)
Um die erstaunliche Geschichte des ruhelosen Jona ging es in der Gesprächsrunde für den 18.9.2021 in DIE BIBEL.DAS LEBEN auf HOPE.TV.