Ich: ein Kunstwerk?

Faszinierend, was ein Bildhauer bereits dort sieht, wo der Laie noch nichts erkennt! (Foto: stux, pixabay)

 

Ein Vater besuchte mit seinem Sohn eine Künstler­werkstatt. Draußen im Hof bearbeitete ein Bildhauer mit Hammer und Meißel einen großen Marmorblock. Die beiden schauten zu, konnten aber nicht erkennen, was der Künstler vorhatte.

Am nächsten Tag blickte ein ansehnlicher Kopf aus dem Stein und nach einer Woche war ein prächtiger Engel entstanden. „Woher wusste der Mann, dass ein Engel in dem Stein steck­te?“, fragte der Junge. Sein Vater antwortete: „Der Bildhauer hat den Engel die ganze Zeit in dem Mar­morblock gesehen. Er musste ihn nur daraus befreien.“

Ein sehr schönes Bild für das, was mit jedem Men­schen geschieht, der sich für Jesus Christus entschei­det und ihm sein Leben anvertraut. Kinder Gottes werden wir in einem Augenblick, aber „fertig“ sind wir noch lange nicht – genauso wenig wie ein Baby: Es ist ein vollkommenes Wesen, aber sein Wachstum ist mit der Geburt nicht abgeschlossen.

Wenn Gott uns in seine „Werkstatt“ nimmt, be­ginnt ein Prozess, auch „Heiligung“ genannt, der ein Leben lang dauert. Lassen wir ihn an uns arbeiten, formt er uns nach und nach zu dem Bild, das er in sei­nem Herzen von uns trägt. Manfred Siebald singt in einem seiner Lieder davon, dass wir ein Gedanke Gottes sind, „ein genialer noch dazu“.

Es ist allerdings nicht so, dass in uns Menschen ein „guter Kern“ stecken würde, den es durch Erziehung und Selbstkontrolle freizulegen gilt. Paulus schrieb an die Christen in Ephesus (Epheser 2,9 NLB):

Wir sind ganz und gar Gottes Werk.

Das heißt: Was daraus entsteht, wenn wir uns Gott hingeben, ist „ganz und gar Gottes Werk“. Seine Idee, seine Konzeption, seine Leistung, nicht unsere – „damit sich niemand etwas darauf einbilden kann“ (Vers 10).

Nun wird sich ein Marmorblock niemals dagegen wehren, vom Bildhauer bearbeitet und behauen zu werden. Wir Menschen sind aber sehr wohl dank unseres freien Willens in der Lage, uns dem Wirken Gottes zu entziehen, ihm davonzulaufen, die Umgestaltungsarbeit selbst in die Hand zu nehmen. Viel­leicht, weil wir andere Vorstellungen haben, uns der Veränderungsprozess zu langsam erscheint oder uns die Arbeitsweise Gottes nicht passt.

Heute können wir uns bewusst erneut dem Meis­ter anvertrauen und bitten: Herr, mein Wesen soll dei­ne Unterschrift tragen. Ich will dir ähnlicher werden, ich will dein Kunstwerk sein, das dich ehrt.