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Bei Grün gehen, bei Rot … auch!?

Während des letzten, dreiwöchigen Aufenthalts in meiner spanischen Heimat (Asturias, im Nordwesten) sind mir zwei Dinge besonders aufgefallen – das eine positiv, das andere negativ.

Sehr positiv fand ich die Kundenfreundlichkeit. Ob an der Supermarktkasse, beim Optiker, bei der Bank, beim Eisverkäufer, im Restaurant: Überall fand ich den Spruch (muss ich sagen den Traum?) erfüllt, „der Kunde ist König“. Ich erlebte nicht eine einzige Ausnahme!

Nachlässigkeit? Ungeduld? Schlechte Vorbilder? „Gruppenverführung“? Es gibt sicher viele Gründe, warum Fußgänger häufig bei Rot über die Ampel gehen. (Foto: manfredrichter, pixabay)

Und das negative Erlebnis? Das fand täglich statt: Kaum einer hielt sich an die auch in Spanien geltende Regel „Bei Grün gehen, bei Rot stehen“! Ob jung, mittelaltrig, alt oder sehr alt, galt: nach rechts schauen, nach links schauen und dann durch! Manchmal rennend, weil plötzlich ein Auto auftauchte. Ich weiß, dass ich mich höchstwahrscheinlich ziemlich blamiert habe, aber ich war meistens der einzige, der lange stehen blieb, während andere Fußgänger einzeln oder scharenweise bei Rot die Straße überquerten.

Was hinderte mich daran, es ihnen gleich zu tun? Meine Erziehung? Die Angst, möglicherweise überfahren zu werden? Mein „Stand“ (Pastor i. R.)? Die deutsche Überkorrektheit? Die Vorbildfunktion? Vermutlich von allem etwas.

Kurz nach meiner Rückkehr zeigte mir meine Frau einen Spruch, den sie in einem der Social Media-Konten unseres älteren Sohnes gesehen hatte: „An die Leute, die öfter bei Rot über die Ampel gehen: Wenn euch Kinder dabei zusehen, müsst ihr euch gefälligst auch überfahren lassen.“ Etwas krass, nicht wahr? Aber vielleicht ein Anstoß zum Nachdenken über das eigene Verhalten. Ähnlich krass ist die Schock-Kampagne der französischen Verkehrsbehörde: Mittels einer Digitalsäule mit Bildschirm, selbstauslösender Kamera und Lautsprechern sollen Fußgänger, die bei Rot über die Straße gehen, denken, sie werden überfahren (sehenswertes Video hier).

Noch einmal die Frage: Warum bin ich während der drei Wochen in Spanien konsequent bei Rot stehengeblieben? Ich meine, es sind zwei Gründe maßgeblich gewesen. Zum einen wollte ich darin ein Vorbild für junge Menschen und Kinder sein. Ich bin es bestimmt nicht immer und nicht in allen Bereichen, aber es hier zu sein, fiel mir wahrlich nicht schwer. Mir ist bewusst, dass „Vorbildsein“ nicht unbedingt „in“ ist. Dennoch will ich gern diesbezüglich altmodisch bleiben.

Der zweite Grund hat mit meiner durch den Glauben geprägten Einstellung zu tun. Ich denke dabei an die Worte des Paulus in Römer 13,1-7, wo es um unsere Pflicht geht, der staatlichen Ordnung zu folgen (solange wie sie der göttlichen Ordnung nicht entgegensteht). Hier ein Auszug dieses Abschnittes (nach der Übersetzung „Hoffnung für alle“):

Die Staatsgewalt steht im Dienst Gottes zum Nutzen jedes Einzelnen. Wer aber Unrecht tut, muss sie fürchten, denn Gott hat ihr nicht ohne Grund die Macht übertragen, Strafen zu verhängen. Sie handelt im Auftrag Gottes, wenn sie unbestechlich alle bestraft, die Böses tun. Es sind also zwei Gründe, weshalb ihr euch der staatlichen Macht unterordnen müsst: zum einen, weil euch sonst das Urteil Gottes droht, zum andern, weil schon euer Gewissen euch dazu auffordert … Gebt also jedem, was ihr ihm schuldig seid. Zahlt die Steuern, die man von euch verlangt, ebenso den Zoll. Unterstellt euch der staatlichen Macht und erweist denen, die Anspruch darauf haben, den notwendigen Respekt. 

Bei aller Unvollkommenheit: Es ist eines meiner Ziele, auch darin dem zu folgen, was die Bibel lehrt und Jesus Christus uns vorgelebt hat. Bei der Steuererklärung und beim Warten an der Ampel fällt es mir nicht schwer, beim Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Autobahn ist noch Wachstumspotenzial, aber ich übe mich darin weiter.

Das „Wunder von Thailand“ – Nachlese

Teil des Rettungsteams am Eingang der Tham-Luang-Höhle. (Foto: NBT; Lizenz: cc 3.0)

Nachdem die allgegenwärtige Berichterstattung über die Rettung der 13 jungen Männer aus der Höhle in Thailand aufgehört hat, gewinne ich Abstand für einen Rückblick.

Sehr interessant finde ich, wie die deutsche und ausländische Presse die mediale Präsenz kommentiert hat. Häufig wurde kritisiert, dass dem Geschehen in Thailand viel zu viel Aufmerksamkeit gewidmet worden wäre, und zwar zu Ungunsten anderer und größerer humanitärer Probleme. Daraus allerdings zu schlussfolgern, das Mitgefühl für die Kinder in Thailand sei falsch gewesen, hielt die australische Zeitung THE AGE (11.7.2018) für falsch: „Die Rettung der Fußballmannschaft war eine seltene gute Nachricht, und Mitgefühl ist eine fundamental menschliche Regung.“ Ich kann mich dem voll anschließen, denn in der Tat: Den guten Nachrichten wird in den Medien kaum Raum gegeben – sie „verkaufen“ sich nicht so gut wie die schlechten. Das musste ich kürzlich während der drei Wochen in meiner spanischen Heimat beim Ansehen der Tagesschau mit Bedauern feststellen; bald konnte ich die langen und ausführlichen Berichte über Vergewaltigungen, Morde und Verkehrsunfälle nicht mehr sehen.

Vielfach gelobt wurde in den Kommentaren die internationale Zusammenarbeit. So schrieb beispielsweise The Guardian (11.7.2018): „Die Rettungsaktion ist eine echte Inspiration: Sie bestätigt eindrucksvoll, was möglich ist, wenn Menschen ihre Ängste überwinden, an einem Strang ziehen und zuerst an ihre Mitmenschen denken.“ Auch ich freue mich jedes Mal, wenn sich nicht der Egoismus und die kleinkarierten Interessen durchsetzen, sondern die „Goldene Regel“, die Jesus Christus in der Bergpredigt lehrte, praktiziert wird: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt.“ (Matthäusevangelium 7,12 GNB) Auf die Situation hier bezogen: Tue für diese Kinder das, was du dir für deine eigenen wünschen würdest, wenn sie in solch einer Situation wären.

Ich selbst konnte „nur“ für diese Jungen, ihren Trainer und für die Rettungskräfte beten. Das habe ich gern getan. Und Gott nach dem Abschluss der Rettungsaktion gedankt. Neben dem Dank und dem Respekt für die Rettungskräfte und deren außerordentliche Leistung (die ein Menschenleben gekostet hat), fand ich in meiner Recherche eher selten den Dank an Gott. Fest steht, dass weltweit Christen für die Rettung der Jungen gebetet haben. Und dass Mitschüler der Eingeschlossenen am Höhleneingang die Rettung mit Gebet und Gesang begleitet haben. Wie wunderbar, dass Gott nicht nur die Gebete der Christen beachtet, sondern auch auf die Hilferufe eines jeden Menschen, ob religiös oder nicht, eingeht. (Warum so viele Menschen, auch Kinder, beispielsweise auf der Flucht im Mittelmeer ihr Leben lassen müssen, ist eine Frage, auf die es keine befriedigende Antwort gibt!)

Apropos wunderbar: Sehr selten habe ich in den Schlagzeilen den Begriff „Wunder“ gefunden. Als ich darüber nachdachte, warum viele dieses Wort zu meiden scheinen, sind mir zwei mögliche Gründe eingefallen: Warum muss man diesen Begriff bemühen, wenn so viele Menschen nach einem professionell ausgetüftelten Plan erfolgreich sind? Wir sind es ja gewohnt, dass allein durch menschliches Können fast Übermenschliches zustande kommt. Die Höchstleistungen von Wissenschaft und Technik scheinen den Bedarf an Wundern nahezu gänzlich zu decken.

Ein zweiter Grund könnte darin liegen, dass ein Wunder in der Regel dem Eingreifen Gottes zuzuschreiben ist. Wer aber Gott keinen Platz in seinem Leben einräumt, der wird wohl mit keinem Wunder rechnen. Das ist aber ein großer Verlust: Wer das tut, gleicht einem Schiffbrüchigen, der sich mit dem Leben auf seiner kleinen Insel abfindet und die Funkanlage ins Wasser wirft, durch die er Ermutigung bekommen und letzten Endes Rettung finden würde.

Verwirrend!?

Auf dem Friedhof von Ceares, Gijón, Nordwestspanien. (Foto: edp)

Vor wenigen Tagen war ich mit meiner Mutter auf dem Altfriedhof unserer spanischen Heimatstadt, um mit ihr das Grab meines Vaters zu besuchen (er starb bei einem Arbeitsunfall im Alter von 35 Jahren). Die Worte über dem Eingangsportal sind für jeden, der den Friedhof verlässt, nicht zu übersehen: „Señor, dadles el descanso eterno“ (Gib ihnen, Herr, die ewige Ruhe). Die meisten Grabinschriften enthielten außerdem die drei bekannten Buchstaben R.I.P. (für „Ruhe in Frieden“ auf Lateinisch) beziehungsweise D. E. P. (für „Descanse en paz“, das spanische Äquivalent).

Diese Aussagen haben den Gedanken des Ruhens gemeinsam, der Portalschriftzug allerdings um die Eigenschaft „ewig“ ergänzt. Sollen die dort Begrabenen nur eine Zeitlang in Frieden ruhen, um dann irgendwie aufzuwachen (d. h. auferstehen), oder sollen sie für immer und ewig ruhen, ohne jemals wieder aufzuwachen?

Sofort musste ich an eine Beisetzungsfeier denken, die ich wenige Wochen zuvor besucht hatte: Der Pfarrer sprach mal von der ewigen Ruhe, dann davon, dass der Verstorbene bereits am Ziel, d. h. bei Gott, wäre, dann aber betete er das Vaterunser, in dem es heißt „Dein Reich komme“ und in einem Nachruf wurde aus dem Glaubensbekenntnis zitiert: „„Er [Jesus Christus] sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“

Nun ist die Verwirrung noch größer: Wieso ewige Ruhe oder Ruhe überhaupt, wenn der Verstorbene bereits am Ziel sein sollte? Und wenn er schon im Reich Gottes angekommen ist, wieso wird die Bitte ausgesprochen „Dein Reich komme“? Und wenn die Verstorbenen schon bei Gott sind, wozu soll Jesus Christus wiederkommen, um die Lebenden und die Toten zu richten?

Opferstock in der Kathedrale von Lugo, Galizien, Norwestspanien. (Foto: edp)

Den Höhepunkt der Verwirrung erlebte ich aber letzte Woche in der Kathedrale von Lugo in Galizien. Dort stand über einen Opferstock die Schrift „Limosna para las benditas ánimas del purgatorio“ (Almosen für die seligen Seelen im Fegefeuer). Woher weiß der Pfarrer, dass der Verstorbene nicht im Fegefeuer (zwecks Erhalt der fehlenden Läuterung) verweilt, sondern schon bei Gott ist? Und wieso wird gleich nach dem Tod bereits „gerichtet“, d. h. entschieden, dass diese Läuterung im Fegefeuer zu erfolgen hat, wenn doch Jesus Christus die Toten und Lebenden erst richten wird, wenn er wiederkommt? Und wie soll durch Almosen die Verweildauer im Fegefeuer verkürzt werden können?

Es gibt so viele Widersprüche im Zusammenhang mit dem Leben nach dem Tod, dass ich mich viel lieber auf das verlasse, was die Bibel, die Heilige Schrift, darüber sagt – und das ist nicht wenig. Und nicht schwer zu verstehen! Sie vergleicht den Zustand im Tod mit einem Schlaf – da finden wir den Gedanken des Ruhens wieder. Dieses Ruhen ist aber nicht ewig, denn es gibt – wie beim Schlaf – ein Aufwachen, das als Auferstehung bezeichnet wird. Und diese Auferstehung (des ganzen Menschen, da die Teilung in Körper und Seele griechischen Ursprungs ist) findet erst dann statt, wenn Jesus wiederkommen und richten wird. Richten heißt trennen: jene, die gerettet und ewig bei Gott leben dürfen, von denen, die zum ewigen Tod verurteilt werden, weil sie das Rettungsangebot Gottes abgelehnt haben.

Hier nur eine der vielen unmissverständlichen Aussagen von Jesus (nach dem Johannesevangelium, 14,2-3 – GNB): Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen, und ich gehe jetzt hin, um dort einen Platz für euch bereitzumachen … Und wenn ich gegangen bin und euch den Platz bereitet habe, dann werde ich zurückkommen und euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin.

Übrigens, auf die Grabplatte meines Vaters haben wir damals die Worte eingravieren lassen: „Deine Frau, Kinder und Familie vertrauen darauf, dich am herrlichen Tag der Auferstehung wiederzusehen.“

Mit Niederlagen leben

Zurzeit dreht sich fast alles um die Fußball-Weltmeisterschaft. Für mich ist Fußball wirklich eine Nebensache; für andere ist es die schönste Nebensache der Welt; andere wiederum halten Fußball für einen Kampf auf Leben und Tod. Ganz drastisch ist die Einschätzung von Umberto Eco: „Der Fußball ist einer der am weitesten verbreiteten religiösen Aberglauben unserer Zeit. Er ist heute das wirkliche Opium des Volkes.“

Obwohl ich kein besonderer Fußballfan bin, fand ich manche Szene nach dem Ausscheiden von Mannschaften wie Deutschland, Argentinien, Portugal oder Spanien aus der WM sehr rührend. Es ist interessant zu beobachten, wie sich Verlierer äußern und wie sie sich benehmen. Der britische Politiker David Lloyd George hatte etwas anderes im Sinn, aber seine Worte gelten auch im Sport: „Der Beweis von Heldentum liegt nicht im Gewinnen einer Schlacht, sondern im Ertragen einer Niederlage.“

Auch für Profispieler nicht leicht: Niederlagen verarbeiten. (Foto: taniadimas, pixabay)

Ja, Verlieren will gelernt sein. Als Kind fiel mir diese Lektion besonders schwer. Bei Spielen und Wettkämpfen fing ich sofort zu weinen an, wenn ich verlor. Es war so schlimm, dass mich mein Vater einmal ohrfeigte, weil ich so unausstehlich wurde. Ich habe es ihm nicht einmal übel nehmen können, denn mein Benehmen war wirklich sehr peinlich. (Für diese Schwäche fand ich später als Teenager eine – wie ich meine – clevere Lösung: Ich profilierte mich zu einem beliebten Gruppenspiele-Organisator und Schiedsrichter.)

Später habe ich entdeckt, dass Verlieren-Lernen das Selbstvertrauen stärkt und das Selbstwertgefühl schützt. Auch als Christ müssen wir lernen, mit Misserfolgen, Fehlern und Rückschlägen zu leben. Bei Kindern ist es wichtig, dass Eltern, Lehrer und Freunde ihnen vermitteln: Wir lieben und mögen dich unabhängig von deiner Leistung, wir stehen zu dir, wenn du Misserfolge erlebst, wir fangen dich auf, wenn du fällst.

Diese Gewissheit, unabhängig von unserer Leistung angenommen zu sein, brauchen wir auch als Erwachsene. Diese Bestätigung hole ich mir immer wieder bei Gott, der uns mit noch mehr Liebe und Empathie begegnet, als es die besten Eltern jemals könnten. Ich erlebe, wie er zu mir steht und mich auffängt, wenn ich falle. Tag für Tag! Gott hält mir meine Niederlagen niemals vor, sondern richtet meinen Blick immer wieder auf das Ziel: ewig bei ihm in einer vollkommenen, fehlerfreien Welt zu leben!

In diesem Sinne verstehe ich die Worte eines außergewöhnlichen Christen, der vom großen Verlierer (er war Christenverfolger!) zu einem fröhlichen Botschafter des befreienden Glaubens an Jesus Christus wurde: Paulus! In Philipper-Brief (3,12-14, Neues Leben Bibel) ist zu lesen:

Ich will nicht behaupten, ich hätte dies alles schon erreicht oder wäre schon vollkommen! Aber ich arbeite auf den Tag hin, an dem ich endlich alles sein werde, wozu Christus Jesus mich errettet und wofür er mich bestimmt hat. Nein, liebe Freunde, ich bin noch nicht alles, was ich sein sollte, aber ich setze meine ganze Kraft für dieses Ziel ein. Indem ich die Vergangenheit vergesse und auf das schaue, was vor mir liegt, versuche ich, das Rennen bis zum Ende durchzuhalten und den Preis zu gewinnen, für den Gott uns durch Christus Jesus bestimmt hat.

In Würde sterben dürfen

Cicely Saunders, 2002. (Foto: History of Modern Biomedicine Research Group; Lizenz: cc-by-sa 4.0)

Sie muss eine außergewöhnliche Frau gewesen sein: Cicely Saunders, die Begründerin der Hospizbewegung, wurde am 22. Juni 1918, also vor 100 Jahren, in Barnet, Hertfordshire (England) geboren.

Aus wohlsituierter Familie stammend, brach sie ein Studium der Philosophie, Politik und Ökonomie in Oxford ab, weil sie sich im gerade ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg nützlich machen wollte. Sie ließ sich zur Krankenschwester ausbilden. Nach Kriegsende schloss sie ihr Studium ab und blieb in der Krankenpflege tätig. In dieser Arbeit wurde ihr bewusst, wie unzureichend Patienten im Endstadium ihrer Krankheit versorgt wurden.

Eine Erfahrung Ende der 1940er Jahre spielte eine entscheidende Rolle in ihrem Lebenslauf: Sie begleitete einen aus Polen stammenden Juden, der aufgrund einer fortgeschrittenen Krebserkrankung unter starken Schmerzen litt, während der Sterbephase. Das Vermächtnis dieses Überlebenden des Warschauer Ghettos, 500 Pfund, sollte das Startkapital zur Gründung eines Hospizes im Südosten Londons werden.

Um sich für die Hospizarbeit zu qualifizieren, beschloss Saunders, Ärztin zu werden. Neben dem Aufbau der Hospizarbeit prägte sie auch die Palliativmedizin, so zum Beispiel mit ihrer umfassenden Sicht des Schmerzes (Total Pain): physisch, psychisch, sozial und spirituell. Sie formulierte Basisprinzipien zur ganzheitlichen Begleitung (Palliative Care) durch ein multiprofessionelles Team, das durch ehrenamtliche Helfer unterstützt wird. Dabei spielen die Lebensqualität und die Selbstbestimmung des Patienten bis zum Schluss eine zentrale Rolle. Dessen Leben darf weder gewaltsam verkürzt noch verlängert werden, die belastenden Symptome sollen aber – so gut es geht – kontrolliert werden. Angehörige und enge Freunde werden grundsätzlich mit einbezogen und auch nach dem Tod ihres Angehörigen in der Trauerarbeit unterstützt.

Saunders starb 87-jährig am 14. Juli 2005 in dem von ihr eröffneten Hospiz.

Weltweit gibt es über 8.000 stationäre Hospize. Laut dem Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verband gab es 2016 in Deutschland rund 1.500 ambulante Hospizdienste sowie 236 stationäre Hospize, einschließlich der stationären Hospize für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Außerdem gab es mehr als 300 Palliativstationen in Krankenhäusern.

Ich bewundere Menschen wie Cicely Saunders, die ihre Lebensaufgabe darin sehen, Menschen in ihren letzten Stunden und Tagen zu begleiten. Seitdem ich Informationstunden im Bereich Vorsorge (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht) in Kirchengemeinden halte, habe ich von den Teilnehmern nur positive Erfahrungen über die Hospizarbeit gehört. Aus diesem Grund empfehle ich, auch diese Möglichkeit in der Patientenverfügung anzugeben. Auch über die mir in meiner Umgebung bekannten Hospize (Bardowik bei Lüneburg und Uelzen) habe ich nur Positives von Angehörigen inzwischen Verstorbener gehört.

Über unsere Sympathie gegenüber allen, die sich hier einbringen, Angestellten wie Ehrenamtlichen, hinaus, können wir sie und ihren Einsatz in unsere Gebete aufnehmen. Das ist enorm wichtig, damit sie innerlich stark bleiben ohne abzustumpfen, von Gott jeden Tag eine extra Portion Empathie erhalten und sie nicht nur viel geben, sondern auch viel zurückempfangen. Mögen sie eines Tages die Worte aus dem Mund von Jesus Christus hören: „Was ihr für einen der Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“ (Matthäusevangelium 25,40 Neues Leben Bibel)

Der ultimative Videobeweis

Nach einer vierjährigen Testphase führte erstmalig der niederländische Fußballverband 2016 den Videobeweis ein. (Foto: StockSnap, pixabay)

Der Einsatz ist umstritten, ich persönlich finde diese Technik sehr hilfreich: der Videobeweis im Fußball. Der Videoschiedsrichter und seine Assistenten (bei der WM in Russland sind es drei) halten bei strittigen Spielsituationen per Funk Rücksprache mit dem Hauptschiedsrichter auf dem Spielfeld. Dieser kann sich dann bei Bedarf die Videoaufzeichnung an einem Monitor am Spielfeldrand ansehen, bevor er eine endgültige Entscheidung fällt.

Das Sprichwort „Vier Augen sehen mehr als zwei“ ist allgemein bekannt. Hier könnte man sagen „acht Augen, digital unterstützt, sehen mehr als sechs Augen auf bzw. neben dem Spielfeld“. Aber da weder der Mensch noch die Technik perfekt sind, kommt es natürlich immer noch zu falschen Einschätzungen bzw. Deutungen und demnach auch zu Fehlentscheidungen.

Was kein Videobeweis der Welt jemals zeigen wird, ist das, was sich in den Beteiligten abspielt: die Gedanken und Gefühle der Spieler während des Spiels, davor und danach. Auch nicht ihre Beweggründe. Sicher ist es besser so!

Es gibt aber einen „ultimativen Videobeweis“ der anderen Art, der das ans Licht bringt bzw. bringen wird, was sich hinter der Fassade eines jeden Menschen abspielt. Dazu noch unfehlbar! Weil der unfehlbare Gott der „Kameramann“ ist. Davon ist häufig in der Bibel die Rede: Gott „sieht uns ins Herz und kennt unsere geheimsten Gedanken“ (1. Chronik 28,9 GNB). „Ich, der Herr, sehe bis auf seinen [des Herzens] Grund, ich kenne die geheimsten Wünsche der Menschen.“ (Jeremia 17,10 GNB) „Ein Mensch sieht, was in die Augen fällt; ich aber sehe ins Herz.“ (1. Samuel 16,7 GNB) Weil es so ist, wird sein Urteil beim Endgericht, wenn er für endgültige und ewige Gerechtigkeit sorgt, unfehlbar sein.

Für manche ist das vielleicht kein angenehmer Gedanke. Für Menschen aber, die ihr Leben Gott anvertraut und Freundschaft mit Jesus Christus geschlossen haben, ist das eine befreiende Vorstellung: Endlich jemand, vor dem ich nichts verbergen muss, weil er alles über mich weiß! Endlich jemand, bei dem ich so sein darf, wie ich bin! Endlich jemand, der mich durchschaut und dennoch (bzw. deswegen) liebt!

So ein „Freund“ Gottes war der israelische König David, der nach einigen Irrwegen und tiefen Niederlagen ausdrücklich Gott darum bat, ihn zu durchleuchten und zu korrigieren (Psalm 139,1-4.23-24 GNB):

Herr, du durchschaust mich, du kennst mich bis auf den Grund. Ob ich sitze oder stehe, du weißt es, du kennst meine Pläne von ferne. Ob ich tätig bin oder ausruhe, du siehst mich; jeder Schritt, den ich mache, ist dir bekannt. Noch ehe ein Wort auf meine Zunge kommt, hast du, Herr, es schon gehört. Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir!

Ich bin so froh, dass auch ich Gott kennenlernen durfte wie David: als einen unparteiischen, gerechten Gott, der mich unendlich liebt und für unendlich wertvoll erachtet!